Regionalteile reformieren und sichern

Der Vorstand der taz hat beschlossen, zum Jahreswechsel taz hamburg und taz bremen aufzugeben. Stattdessen soll eine gemeinsame taz nord erscheinen. taz-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch über die Gründe dieser Entscheidung – und die Perspektiven der Regionalisierungsstrategie

Für die taz ist die regionale Verankerung seit 25 Jahren unverzichtbar. Aber sie mussauf festen Beinen stehen

VON KARL-HEINZ RUCH

Regionalisierung gehört von Anfang an zu den Entwicklungsstrategien der taz. Die ersten Lokalseiten gab es schon ein Jahr nach der Gründung der taz in Berlin. Kurz darauf folgten Lokalteile in Hamburg und Bremen. Die wenigsten taz-LeserInnen werden heute noch wissen, dass es Anfang der Achtzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts auch schon mal eine wöchentliche Lokalausgabe der taz in Nürnberg gab, die FRAZ (Frankentaz), die allerdings wegen mangelnden Erfolgs nur ein Jahr erschien und wieder eingestellt wurde.

Seit 1998 verfolgt die taz das Projekt der Regionalisierung in Nordrhein-Westfalen. Zunächst in Münster und an der Ruhr, später in Köln anstatt Münster sind bis 2003 wöchentliche Lokal- und Regionalseiten erschienen. Nach einem kurzen, von der taz inspirierten Ausflug der Süddeutschen Zeitung auf den Zeitungsmarkt in Nordrhein-Westfalen wollte die taz keineswegs auf die Chancen der Regionalisierung in NRW verzichten. Mit der Unterstützung vieler KommanditistInnen und einem Startkapital von 1,2 Millionen Euro wurde im Dezember 2003 die taz Entwicklungs KG gegründet und noch im selben Jahr mit einer täglichen NRW-Ausgabe gestartet – mit lokalen Fenstern für Köln und Ruhr. Das Konzept für NRW sah vor, mit einem Kapital von 2,2 Millionen Euro innerhalb von fünf Jahren 5.000 zusätzliche Abonnements aus der Region zu gewinnen.

Leider zeigte sich schon im zweiten Jahr, dass die Kapitalzuwächse zu optimistisch prognostiziert waren. Von den geplanten 2,2 Millionen Euro kam nur ein Viertel zusammen. Entsprechend mussten die Entwicklungsmaßnahmen in NRW angepasst werden.

Wegen geringerer Marketingaufwendungen blieb auch die Auflagenentwicklung in NRW hinter den Erwartungen zurück. Statt der 1.600 zusätzlichen Abonnements, die nach der Planung bis Ende 2004 erreicht werden sollten, lag der Erfolg zusätzlicher Abos in NRW zwischen 600 und 700. Der Vorstand der taz-Genossenschaft sah sich durch die entstandene Situation gezwungen, im ersten Halbjahr 2005 noch einmal intensiv die Existenzfrage der NRW-Ausgabe zu stellen, die von vielen LeserInnen und UnterstützerInnen in Nordrhein-Westfalen auch mit weiteren 684 zusätzlichen Abos positiv beantwortet wurde.

Weil die Herstellungskosten dringend reduziert werden mussten, hat der Vorstand beschlossen, das redaktionelle Konzept zu verändern. Die lokalen Wechselseiten für Köln und Ruhr wurden zum 1. Juli 2005 eingestellt. Seither erscheinen vier gemeinsame Seiten für ganz Nordrhein-Westfalen, die in Zukunft an einem gemeinsamen Redaktionsstandort produziert werden sollen.

Der neue Regionalteil der taz in NRW hat das Problembewusstsein für Regionalisierungsfragen insgesamt geschärft. Viele Fragen, die im Zusammenhang mit NRW aufgetaucht sind, müssen auch für die anderen Regionalausgaben beantwortet werden, wenn sie auf eine langfristig tragfähige Grundlage gestellt werden sollen.

Die Städte, in denen die taz mit Lokalteilen vertreten ist, haben ihre Funktion als Hochburgen der Auflagenentwicklung, die sie in den Achtzigerjahren noch hatten, in den Neunzigerjahren verloren. So ist die Auflage der taz in Berlin von 1996 bis 2004 um 28 Prozent zurückgegangen, in Hamburg um 16,8 Prozent und in Bremen um 15,4 Prozent. In der Stadt Bremen erreicht die taz mit 4,8 taz-Käufern pro tausend Einwohner zwar immer noch mehr als doppelt so viele LeserInnen wie in der größenmäßig vergleichbaren Stadt Stuttgart (2,05 taz-Käufer pro tausend Einwohner). Bezogen auf die damit tatsächlich erwirtschafteten Auflagenumsätze relativiert sich dieser Erfolg allerdings: Die absolut verkaufte Auflage deckt die Herstellungskosten nicht. Die Basis, eigene Lokalteile in Bremen und Hamburg wirtschaftlich vertreten zu können, ist zu klein. Auch für Berlin stellt sich diese Frage, wobei hier die Situation durch die vollkommen andere Wettbewerbslage des Berliner Zeitungsmarktes noch schwieriger aussieht.

Die Lokal- und Regionalausgaben der taz sollen sich durch die Erträge aus zusätzlich gewonnenen Auflagen und durch Anzeigen aus der Region finanzieren. Doch auch das regionale Anzeigengeschäft ist in den vergangenen Jahren bei der taz – wie branchenweit – stark rückläufig. Sowohl in Bremen als auch in Hamburg wird momentan aus dem Anzeigengeschäft kein Deckungsbeitrag erwirtschaftet, die Anzeigenumsätze vor Ort decken nicht einmal die mit dem Anzeigengeschäft direkt verbundenen Kosten.

Aus all diesen Faktoren stellt sich die finanzielle Situation der Regionalteile im Norden in diesem Jahr so schlecht wie noch nie dar. Neben den Kosten, die die überregionale taz für den Ankauf (Transfer) und den Druck der lokalen Seiten hat, werden in diesem Jahr Verluste von 250.000 Euro in den Betriebsstätten zu decken sein. Die von der Überregionalen in diesem Jahr zu übernehmenden Aufwendungen für die Lokalausgaben werden sich damit auf über eine Million Euro belaufen. Um diese Summe zu finanzieren, reicht der Ertrag sämtlicher(!) in Bremen und Hamburg derzeit belieferten Abonnements gerade einmal aus, ohne dass diese Abos auch nur einen Cent zur Erstellung der überregionalen taz beitragen. Das geht nicht.

Der neue Regionalteil der tazin NRW hat das Problembewusstsein für Regionalisierungsfragen insgesamt geschärft

An der Regionalisierung festzuhalten und sie auf tragfähige Grundlagen zu stellen, erfordert im Norden ein sofortiges und entschlossenes Handeln. Vorstand, Geschäftsführung und Chefredaktion der taz wollen ihre Verantwortung wahrnehmen. Das Konzept der Regionalisierung soll modifiziert und auf eine breitere Basis gestellt werden. Ein neuer einheitlicher Regionalteil im Norden muss für alle LeserInnen in Norddeutschland, die ja auch jetzt schon diese Seiten erhalten, als zusätzlicher Nutzen zur überregionalen taz erkennbar sein. Kern der regionalen und Zentrum der redaktionellen Aktivitäten wird Hamburg sein. Eigenständige Lokalausgaben für Hamburg und Bremen wird es nicht mehr geben, dafür die wichtigsten Ereignisse, die spannendsten Geschichten des Nordens in einer einheitlichen Nordausgabe.

Die Befürchtungen vieler LeserInnen aus Hamburg und Bremen, die taz überlasse sie mit dem Einstellen der Lokalteile in der bisherigen Form dem Schicksal der Medienmonopole von Weser-Kurier und Springer, ist unbegründet. Auch in der neuen gemeinsamen taz nord werden taz-typische Themen wie Migration, Bildungspolitik und Ökologie ihren Platz finden – allerdings geschrieben für einen größeren LeserInnenkreis im gesamten Verbreitungsgebiet.

Der schwierige Weg der Sanierung vorhandener Strukturen muss nicht nur in der Redaktion, sondern auch im Verlag begangen werden. Und zwar jetzt. Ähnlich wie in NRW soll das Anzeigengeschäft ausgelagert werden, damit auch dort wieder ein Deckungsbeitrag erwirtschaftet wird.

Die Regionalisierung der taz hat eine Tradition, die so alt ist wie die ganze taz. Für das ganze Unternehmenskonzept der taz, das sich in den vergangenen 25 Jahren erfolgreich entwickelt hat, ist die regionale Verankerung vor Ort unverzichtbar. Nur auf dieser Basis konnten 50.000 AbonnentInnen und über 6.000 taz-GenossInnen gewonnen werden, die heute die Existenz der taz sichern. Wenn die Regionalisierung auch eine erfolgreiche Strategie in der Zukunft sein soll, dann müssen wir sie heute auf feste Beine stellen.