Kolumne Cannes Cannes: Glamour, Pathos und Kunstblut
Disney lässt für die „Solo: A Star Wars Story“-Party ein großes Feuerwerk springen. Und Regisseur Lars von Trier zitiert sich selbst.
Endlich ein bisschen was Glamouröses! Im Anschluss an die Galapremiere von „Solo: A Star Wars Story“ am Dienstagabend hatte Disney zur Party am Strand der Croisette geladen.
Nachdem man eine gefühlte Stunde vor der gestrengen Einlasskontrolle gewartet hatte, bekam man drinnen zur Belohnung ein Feuerwerk über dem Meer kredenzt, das die optischen Reize des zu feiernden Films locker in den Schatten stellte. Riesenhafte Kugeln wechselten mit punktgenauen Lichtstrahlraketen oder Goldregen gigantomanischen Ausmaßes ab. Dazu, was sonst, vom Wasser her „Star Wars“-Marschmusik.
„Solo“ selbst, der vom Werdegang des jungen Han Solo erzählt, war solide Unterhaltung mit einigen Momenten der Langeweile. Einer der Gründe dafür ist der angenehm nichtssagende Hauptdarsteller Alden Ehrenreich, der sehr freundlich zu lächeln versteht.
Bisher wurde ja noch nicht so viel gebuht in diesem Jahrgang. Wahrscheinlich, weil es im Wettbewerb so weit kaum Ausfälle gab, von Eva Hussons französischem Kriegsdrama „Girls of the Sun“ einmal abgesehen, das die eigentlich relevante und bewegende Geschichte um kurdische Soldatinnen, die im Irak den IS bekämpfen, in kitschigem Pathos ertränkt hatte und damit bei der Pressevorführung erste Protestrufe provoziert.
Mord-als-schöne-Kunst-des-Monologisierens
Lauter wurden die Stimmen bei Lars von Triers außer Konkurrenz gezeigtem Göttliche-Komödie-Splatter „The House That Jack Built“. Wenn man so möchte, ist dies nach Godards „Le livre d’image“ der zweite Essayfilm im Hauptprogramm, allerdings kann von Trier es nicht ganz mit dem französischen Kollegen aufnehmen.
Matt Dillon ist zweieinhalb Stunden als Jack zu beobachten, wie er Frauen und später noch Männer mit heftiger Brutalität ins Jenseits befördert. Dazwischen hat von Trier Reflexionen über die Kunst eingestreut, mit einer Diashow von projizierten Gemälden zur Illustration. Mehr noch geht es ihm aber um seine eigenen Filme, die er an einer Stelle sogar direkt zitiert.
Der Film ist in erster Linie ein Gespräch aus dem Off: Jack erzählt seine Geschichte, während der lange Zeit unsichtbare Verge (Bruno Ganz) Fragen stellt, um zu verstehen, was Jack mit seinem Mord-als-schöne-Kunst-des-Monologisierens bezweckt.
Verge, stellt sich heraus, ist kein Geringerer als Vergil, und geleitet den Dante-Jack durch ein paar Kreise der Hölle, bevor er ihn seinem Schicksal überlässt, nicht ohne ein paar schön farbig-verrückte Bilder des Infernos aufzubieten. Das ist krude, größenwahnsinnig – zu Hitler und den Konzentrationslagern hat dieser Jack selbstverständlich auch etwas zu sagen –, und am Ende fühlt man sich nicht einmal erlöst, wenn es vorbei ist. So etwas kann von Trier gut. Hier kann er vor allem mit Kunstblut langweilen.
Ermüdend, doch nicht langweilig: Stéphane Brisés Gewerkschaftsdrama „En guerre“ im Wettbewerb. Der Kampf der Belegschaft einer Fabrik gegen die Schließung ihres Standorts, angeführt vom wortgewandten Gewerkschafter Laurent, wird von Brisé als Kriegsfilm inszeniert. Wortgefechte statt Waffenfeuer, dazu Geländegewinne, Strategiewechsel, bröckelnde Fronten. Starker Film.
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