die woche in berlin
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Nach Ausschreitungen seiner Fans beim Landespokalfinale gegen Cottbus hat der als links geltende SV Babelsberg ein Problem. Die Hausbesetzungen vom vergangenen Wochenende befeuern die Debatte über die Wohnungsnot – gut so! Was hat die SPD nur plötzlich gegen das Mobilitätsgesetz? Und: „Teile und herrsche“ lautet offenbar das Rezept des künftigen Generalintendanten des Humboldt Forums, Hartmut Dorgerloh.

Der linke Club hat ein Problem

Ausschreitungen Babelsberger Fans

Nachdem beim Brandenburger Landespokalfinale am Montag etwa 30 vermummte Anhänger des SV Babelsberg Leuchtraketen in den Block der Cottbus-Fans abgefeuert und die eigenen Ordner mit Böllern beworfen hatten, hat der Verein klug und angemessen reagiert.

Sowohl Babelsberg-Präsident Archibald Horlitz als auch Trainer Almedin Čiva haben sich im richtigen Ton distanziert. Auch viele Babelsberger Fans haben die Aktion scharf kritisiert, einige äußerten sich anonym in Zeitungen. Dennoch schwang eine gewisse Hilflosigkeit mit. Mehrere Anhänger berichteten, sie seien angepöbelt und bedroht worden, als sie sich gegen die Aktion gewehrt hätten. Ein Augenzeuge sprach von „Fausthieben“ und „purer Militanz“. Sichtbar war auch die Zustimmung zahlreicher anderer Fans, die mit Handys filmten.

Für den SV Babelsberg, dessen Engagement als linker Vorzeigeclub eine Art Lebensversicherung ist, sind solche Vorfälle weitaus bedrohlicher als für andere Vereine. Wenn jetzt Sponsoren abspringen oder die Politik auf Distanz geht, gibt es ein Problem. Der Klub hat bislang vor allem auf Gespräche gesetzt, um innere Konflikte zu lösen. Das ist mutig und richtig. Es hat aber nicht die tiefe innere Spaltung der Fanszene verhindert. Die Selbstheilungskräfte der Kurve stehen jetzt auf der Probe.

Und nicht nur dem Verein, auch der ewigen Debatte über Pyrotechnik hat die Aktion massiv geschadet. Der DFB wird sich in seiner Kriminalisierung von Pyro bestätigt fühlen. Die vielen Anhänger, die verantwortungsbewusst mit Bengalos umgehen, leiden unter denen, die meinen, damit auf Menschen werfen zu müssen. So ist eine Legalisierung weit weg.

Von welchem Fan-Selbstverständnis zeugt es, seinem chronisch pleitebedrohten Verein ständig Pyro-Strafen zuzufügen? Es ist eine sehr zweifelhafte Selbstermächtigung.

Den Gegner Energie Cottbus hat man zu Recht oft dafür verurteilt, dass sich die schweigende Mehrheit zu wenig gegen Nazis im Block auflehne. Der SV Babelsberg darf jetzt zeigen, wie es um die eigene Selbstreinigung steht. Leicht wird das nicht. Ein Fan schlug vor, bei Ausschreitungen den Block zu verlassen. Es wäre ein wirkungsvolles Bild. Und sonst: wieder viel reden. Vielleicht auch strafen. Wie es sich anfühlt, gegen eine gewaltbereite Minderheit anzukämpfen, kann man ja mal in Cottbus nachfragen.

Alina Schwermer

Die Debatte anregen

Die Hausbesetzungen haben eine Wirkung

Kaum eine Entwicklung verändert das Leben in dieser Stadt so dramatisch wie die steigenden Mieten. Und doch ist es für JournalistInnen schwer, groß und regelmäßig darüber zu berichten – eben weil die Nachricht einer jeden Wohnmarktstudie der letzten Jahre immer dieselbe war: Die Mieten steigen. Die Mieten steigen. Die Mieten steigen.

Betroffene, die ihre Wohnungen verlassen mussten, einzelne Häuser, die doch gerettet werden konnten – über all das wurde vielfach geschrieben. Wie aber lässt sich die Problematik abbilden, ohne sich bei der Berichterstattung ständig zu wiederholen? Wie der Gewöhnung, die bei der x-ten Meldung über Mietsteigerungen eintritt, trotzen?

Die HausbesetzerInnen vom vergangenen Sonntag haben es geschafft, mit dieser Logik zu brechen, eben weil sie etwas ganz anderes machten. Sie haben mit ihren Aktionen eine Debatte angeregt: Bundesweit wurde breit aus Neukölln und Kreuzberg berichtet. Die nicht für linksradikale Positionen bekannte Süddeutsche Zeitung ließ ihre LeserInnen über die Frage diskutieren, ob Besetzungen eine angemessene Form des Protests gegen die Wohnungsnot sind. Und selbst in der eher kleinbürgerlichen Neuköllner Nachbarschaft fand die BesetzerInnen mit ihrem Anliegen großes Verständnis.

Sie weisen ja auch auf einen Missstand hin, den viele seit Jahren selbst erleben, und gegen den die Politik trotzdem keine wirksamen Gesetze erlassen hat. In der Debatte wurde sehr deutlich: Der gesellschaftliche Resonanzraum beim Thema steigende Mieten ist riesig.

Wenn die BesetzerInnen weitere Aktionen ankündigen, ist das eine gute Nachricht: Denn das hält das Thema Wohnungsnot auf der Agenda. Zumindest so lange, bis auch hier wieder die Gewöhnung eintritt. Antje Lang-Lendorff

Selbst in der eher klein-bürgerlichen Neuköllner Nachbarschaft fanden die Besetzungen großes Verständnis

Antje Lang-Lendorffüber die Hausbesetzungen am vergangenen Wochenende

Konflikt beim Kampf um Raum

Die SPD und das Mobilitätsgesetz

Er ist wieder da. Heinrich Strößenreuther, die Allzweckwaffe der Berliner Radfahrlobby, hat sich aus der selbst verordneten Aktivismuspause zurückgemeldet. Er konnte den jüngsten Move der SPD einfach nicht ertragen: Kurz bevor das Mobilitätsgesetz am Donnerstag in die finale Beratungsrunde des Verkehrsausschusses gehen sollte, hatte die Fraktion das Paket wieder aufgeschnürt und sich unter anderem mit der Opposi­tions­forderung gemein gemacht, auch dem Autoverkehr ein Kapitel zu reservieren.

Das Pkw-Bekenntnis aus den Tiefen der sozialdemokratischen Fraktion sei „ein Tritt ins Gesicht“ ihrer Nachwuchspolitiker, sagt der Rad-Mann und meint damit unter anderem den SPD-Abgeordneten Tino Schopf, der den aktuellen Gesetzentwurf – ohne Auto – mitverhandelt hat. Er setze jetzt auf die Grünen, so Strößenreuther: „Die sollen die Koalitionsfrage stellen oder aber das Ding vor der Sommerpause hinkriegen.“

Dass all jene, die den Gesetzgebungsvorgang mit dem Rad-Volksentscheid überhaupt erst angeschoben haben, die Krise kriegen, wenn wieder eine Terminverschiebung droht, ist verständlich. Immerhin wird auf den Straßen auch zwei Jahre nach dem Antritt von R2G keinerlei Veränderung zu sehen sein. Auf der anderen Seite kann man auch mal den Koalitionspartnern Glauben schenken, die unisono betonen, das Projekt werde definitiv bis zum Sommer eingeparkt.

Aber was ist denn nun zu halten von dem Auto-Vorstoß der SPD, jenseits davon, dass darin ein Wink an die eigene, durchaus autoaffine WählerInnenschaft steckt? Fragt man Tino Schopf, hört man, dass ein solcher Abschnitt des Regelwerks doch nur für „stadtverträglichen Autoverkehr“ sorgen soll. Er könne Regeln zur Parkraumbewirtschaftung, zu Geschwindigkeitsbeschränkungen, vielleicht sogar zu Fahrverboten oder einer City-Maut beinhalten. Das klingt gut und ist eigentlich im Sinne derer, denen es um eine Verkehrswende geht (wie Strößenreuther).

Wenn aber künftig neben den noch unfertigen Abschnitten zum Fuß- und Wirtschaftsverkehr auch über private Pkws und Motorräder verhandelt wird, steckt darin trotzdem ein beträchtliches Konfliktpotenzial: Denn den Autofans in der SPD geht es auch darum, den „ruhenden Verkehr“ zu sichern, vulgo: um den Parkplatz vor der Tür. Das beißt sich mit dem Flächentausch, den das jetzt zu beschließende Rad-Kapitel anstrebt.

Wenn dieser Konflikt auch auf gesetzgeberischer Ebene aufbricht, könnte die ohnehin schon schwierige Umsetzung noch komplizierter werden. Und Heinrich Strößenreuther wird sich so schnell nicht wieder um seine eigenen Projekte kümmern können.

Claudius Prößer

Die ersten Linien sind sichtbar

Restitutionsdebatte am Humboldt Forum

Was, bitte, soll das Humboldt Forum sein oder werden? Reichlich nebulös blieb bisher die Idee, die hinter den Ausstellungen unter anderem des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst im Schlossnachbau steht. Dabei ist der Bau sichtbar weit gediehen, Ende 2019 soll Einweihung sein.

Kommenden Freitag tritt mit Hartmut Dorgerloh der neue Generalintendant des Humboldt Forums seine Stelle an. Schon vorab mühte er sich, etwas Klarheit darüber herzu­stel­len, was denn nun in Berlins Mitte inhaltlich entstehen soll. „Die Idee des Humboldt Forums ist ja typisch für das 21. Jahrhundert: Sie können nichts mehr allein machen“, sagte Dorgerloh am Dienstag im Gespräch mit der taz. Dazu gehöre auch, dass man nicht mehr seine eigene Sammlung im eigenen Haus zeige, sondern das in „geteilter Verantwortung“ mache, und zwar „postindustriell, global und digital“. Genau so müsse das Haus sein – und dabei, was die Besucher angeht, einen sehr viel umfassenderen Anspruch haben, „als nur akademisch Trainierte“ anzusprechen.

Im Interview verriet er auch, wie er die Restitutionsdebatte managen will, die das Humboldt Forum kalt erwischt hat. Bei vielen möglichen Ausstellungsstücken vor allem der ethnologischen Sammlung ist unklar, ob sie rechtmäßig erworben nach Berlin gekommen sind. Es geht also um ihre Provenienz. Doch diese Fragen abschließend zu klären sei klar „originäre Aufgabe“ der zuständigen Berliner Museen, betonte Dorgerloh mehrfach. Gleichzeitig will er im Humboldt Forum selbst die Debatte über eine mögliche Rückgabe offensiv führen , gemeinsam mit Menschen aus den Herkunftsgesellschaften.

Dorgerloh ist sich der verschlungenen Strukturen und Verantwortungsgeflechte im Humboldt Forum offenbar sehr genau bewusst. Sein Rezept lautet: Teile und herrsche. Er überlässt die Inhalte der nötigen Debatte den ihm untergeordneten Museumschefs und liefert nur das Podium. Wenn alles klappt, kann Dorgerloh sich mit dem Erfolg schmücken; scheitert das mit rund 500 Millionen Euro teuerste und größte Kulturprojekts des Bundes, liegt die Verantwortung dafür nicht nur bei ihm. Bert Schulz