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Aus alt wird neu

In Hannover baut das Wohnungsunternehmen Gundlach derzeit ein Recyclinghaus – in Serie gehen soll diese Bauform aber nicht. Unterdessen haben auch die Bauteilbörsen im Norden Probleme, AbnehmerInnen zu finden

Nichts umkommen lassen: Eine Baustoff-Recyclinganlage in Daberkow im Landkreis Demmin Foto: Stefan Sauer/dpa

Von Joachim Göres

In Hannover entsteht derzeit ein besonderes Haus – nach Angaben der Erbauer das erste Recyclinghaus, das den Anforderungen der Energieeinsparverordnung (Enev) entspricht. „Wir kennen kein vergleichbares Projekt“, sagt Corinna Stubendorff, Projektleiterin beim Wohnungsunternehmen Gundlach in der niedersächsischen Landeshauptstadt.

In diesem Jahr sollen Mieter das rund 150 Quadratmeter große Einfamilienhaus im Stadtteil Kronsberg beziehen können, das zum Großteil aus gebrauchtem bzw. wiederverwendbarem Material besteht. Die Haustechnik mit Heizung, Sanitäranlagen und Elektrik ist neu, um allen gültigen Standards zu entsprechen. „100 Prozent Recycling, wie wir uns dies gewünscht hätten, lässt sich bei allem Ehrgeiz derzeit nicht erreichen“, sagt die Architektin.

Für die Bodenplatte wird ein sogenannter R-Beton verwendet, der aus rund 60 Prozent Recyclinggestein besteht. Stahlträger und Treppengeländer stammen aus einem ehemaligen Freizeitheim, mineralische Dämmung und Eternitfassade aus einem einstigen Haus der Jugend, alles aus Hannover. „Es gibt Händler für alte Baustoffe, die aber keine großen Fassaden anbieten können. Man muss also beim Abriss von Gebäuden diese Materialien sichern. Dadurch entstehen zusätzliche Kosten, denn der Ausbau ist viel teurer als der einfache Abriss. Zudem kommen Kosten für die vorübergehende Lagerung der Materialien hinzu“, erklärt Stubendorff. Pro Quadratmeter rechnet sie mit einem Preis von rund 5.300 Euro, ein vergleichbarer Neubau würde rund 4.500 Euro kosten.

Bei den angesprochenen Handwerkern aus der Region beobachtet sie eine gewisse Offenheit und Interesse an dem Thema, aber auch viel Skepsis wegen fehlender Erfahrungen – die Betriebe wollen sich absichern und kein Risiko eingehen, falls etwas nicht so läuft wie geplant. Dadurch entstehen höhere Kosten wie auch durch Verzögerungen bei der Planung – vom Beginn bis zum ersten Spatenstich sind fast drei Jahre vergangen. „Es hat länger gedauert als gedacht. Es ist nicht einfach gewesen, wiederverwendbare Materialien aufzutreiben und Fachbetriebe zu finden, die sie einbauen“, so Stubendorff. So können für die Dämmung des Daches Schaumglasplatten eingesetzt werden, die aus Altglas hergestellt werden. Dieses Material ist auf dem Markt, aber zunächst hat keine Firma ein Angebot abgegeben. Mittlerweile gibt es zwei Anbieter.

Und Stubendorff benennt ein weiteres Problem: Um die Vorgaben am Standort Kronsberg zu erfüllen – ein zur Expo 2000 entstandener neuer Stadtteil mit hohem Energiestandard – dürfen nur dreifach verglaste Fenster eingebaut werden. Solche gibt es derzeit aber nicht gebraucht. Es muss also aus den gebrauchten Fenstern die Doppelverglasung ausgebaut werden, um danach drei neue Scheiben in den alten Rahmen einzusetzen – selbst wenn unter dem Strich die Verwendung der alten Doppelfenster sinnvoller gewesen wäre. „Die Enev berücksichtigt nicht die Energie, die bei der Herstellung der Materialien nötig ist. Das ist der größte Grundkonflikt, der in unserem Projekt aufgetreten ist“, betont Stubendorff und folgert: „Die Enev steht dem Recyclinggedanken entgegen.“

Schließlich kann auch die städtische Bauaufsicht einen Strich durch die Rechnung machen, da erst wenige gebrauchte Baumaterialien zur Wiederverwendung zugelassen sind. „Es ist in dem Projekt bisher für kein Material eine Zulassung im Einzelfall und keine explizite Zustimmung nötig, aber die Aufsicht könnte so ein Projekt verhindern. Wir freuen uns über das wohlwollende Interesse der Bauaufsicht“, sagt Stubendorff. Vor der Wiederverwendung alter Materialien muss zudem eine mögliche Schadstoffbelastung ausgeschlossen werden.

Corinna Stubendorff, Architektin

Für Gundlach, mit knapp 4.000 Mietwohnungen eines der größten privaten Wohnungsunternehmen in Hannover, ist das Projekt nicht unbedingt der Startschuss für den Bau von Recyclinghäusern im großen Stil. Stubendorff: „Nach dem Abschluss werden wir Bilanz ziehen. Dabei wäre es für uns schon positiv, wenn durch die gewonnenen Erfahrungen bei künftigen Neubauprojekten der Recyclinganteil erhöht werden könnte, zum Beispiel durch die Wiederverwendung von Mineralwolle oder den Einsatz von R-Beton. Ein 100-Prozent-Recyclinghaus wird auch künftig im realen Leben nicht verwirklicht werden können.“

Gebrauchte Baumaterialien wieder verwenden – diese Idee wollen auch die Bauteilbörsen fördern. Sie bauen die Materialien aus und transportieren sie ab, bereiten sie auf und verkaufen sie weiter. „Aus ökologischen Gründen melden sich aber die wenigsten bei uns. Viele suchen bei einer Sanierung gezielt nach historischen Teilen aus der Zeit, als das Haus gebaut wurde. Und viele Anbieter finden es einfach schade, wenn nach einem Abbruch zum Beispiel schöne alte Türen einfach auf dem Müll landen würden“, sagt Katrin Fiedler, Mitarbeiterin der Bauteilbörse Bremen. Sie wurde vor 15 Jahren gegründet, wird zum Teil von der Bremer Stadtreinigung finanziert und ist laut Fiedler das größte Mitglied im Bauteilnetz Deutschland. Dieser Zusammenschluss von Bauteilbörsen aus ganz Deutschland (www.bauteilnetz.de) wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) aus Osnabrück ins Leben gerufen, ihm gehören auch die Bauteilbörse Hannover sowie die Möwe-Altmaterialverwendung Osnabrück an.

Mehr als 900 Türen finden sich in der Bauteilbörse Bremen, über die Hälfte des Umsatzes wird damit gemacht. Auch Türbeschläge sind begehrt. Bei Fenstern hält sich das Interesse dagegen in Grenzen – einfach verglaste historische Fenster verwendet man wegen der Optik vielleicht im Schuppen, aber wegen der schlechten Energiewerte nicht in der Wohnung. „Ganz neu oder ganz alt ist gefragt. Teile aus den 60er- und 70er-Jahren wird man nur schwierig wieder los“, sagt Fiedler. Derzeit bekommt sie mehr Sachen angeboten als nachgefragt werden: „Heute musste ich zweimal bei Waschbecken Nein sagen, weil wir davon derzeit genügend haben.“ Insgesamt scheint die Hochzeit der Bauteilbörsen allerdings vorbei zu sein: In den vergangenen Jahren haben Anbieter in Oldenburg, Gießen, Köln, Augsburg, Saarbrücken, Weißenburg und Nordhausen aufgegeben.