wortwechsel
: Der „Bamf-Skandal“ – Gift für das politische Klima?

Die derzeitige Asyldiskussion erscheint absurd und unheimlich. Fehler und Missstände müssen lückenlos aufgeklärt werden. Hat Ulrike B. gar einen Orden verdient?

Asylsuchende warten auf ihre Wartenummer Foto: Stefan Boness/Ipon

Eingebüßtes Vertrauen

„Was für ein Bamf“, taz vom 26. 5. 18

Es ist dringend erforderlich und längst überfällig, dass die vielen Fehler sowie die zahlreichen Missstände lückenlos aufgeklärt werden. Ansonsten verspielt die Regierung weiterhin das ohnehin schon eingebüßte Vertrauen der Bürger/innen. Zudem wird das deutsche Asylsystem – ohne gründliche Aufklärung dieser Affäre – unter steigenden, schlechten Generalverdacht geraten, was wiederum enormes Gift für das gesellschaftliche beziehungsweise politische Klima darstellt. Daher sollten sowohl sozialistische als auch konservative Parteien an einer vollständigen wie objektiven Aufklärungsarbeit in Bezug auf diesen negativen Vorfall interessiert sein. Julia Engels, Elsdorf

Obrigkeitsstaat

„Asyldebatte um Jahre zurückgeworfen“, taz vom 22. 5. 18

Seit Wochen erscheint mir die öffentliche Asyldiskussion immer absurder und unheimlicher. Ich empfinde zunehmend einen rasanten Wertewandel vom demokratischen Verfassungsstaat auf Basis von Grundrechten und Gewaltenteilung hin zum Obrigkeits-/Maßnahmestaat. Für mich als Jurist eine Schaudervision mit Rückblende auf die 30er Jahre, als Carl Schmitt und andere – auch nach 1949 noch einflussreiche – Verfassungsjuristen halfen, das Dritte Reich geistig vorzubereiten und sein Schreckensregime zu errichten. Hat die AfD schon gewonnen, indem sie nicht nur die bisher als „konservativ“ eingeordnete CSU auf ihren Kurs gebracht hat, sondern den Kurs der gesamten öffentlichen Diskussion in diesem Sinn beeinflusst?

Alle Medien erörtern das Asylthema zurzeit ausschließlich unter dem Aspekt des „Asylskandals“. Für mich ist der eigentliche Skandal: Wo waren die Schlagzeilen und Empörungskommentare anlässlich des Bekanntwerdens von Hunderttausenden erfolgreich bei den Verwaltungsgerichten angefochtenen Asylablehnungen des Bamf. Weshalb hat keine Partei deswegen schon vor Monaten einen Unter­suchungsausschuss gefordert?Ingo Spickschen, Salzgitter

Seid ihr noch bei Trost?

„verboten“, taz vom 25. 5. 18

Seit die Vorwürfe gegen die Bremer Bamf-Außenstelle an die Öffentlichkeit gedrungen sind, hat auch die taz schon mehrfach die Begriffe „Affäre“ oder „Skandal“ (ohne Gänsefüßchen!) verwendet. Inzwischen treibt der Bundesinnenminister jeden Tag die Zahlen überprüfungsbedürftiger Bescheide in die Höhe und demoliert nebenbei die Karrieren zweier Beamtinnen und den Ruf einer ganzen Behörde.

Und was macht die taz? In Kommentaren auf Seite eins werden die Anschuldigungen kurzerhand als zutreffend unterstellt und lobende Worte für Seehofer ausgesprochen, und heute Morgen versteigt sich verboten allen Ernstes (!) zu der Behauptung, in Bremen seien „Blankoschecks für Asylbewerber“ ausgestellt worden. Seid ihr noch bei Trost?Eleonore von Oertzen, Hannover

Alles für die Quote?

Asyl-Entscheider entscheiden nicht mehr“, taz vom 24. 5. 18

Der Skandal in der Bremer Außenstelle des Bamf spielt vor allem Horst Seehofer in die Karten. Er selbst wird dabei nur dann politischen Schaden nehmen, wenn man ihm zweifelhafte Motive in der Sache nachweisen könnte.

Auch wenn das für manchen sogenannten Flüchtlingskritiker nahe liegen könnte, halte ich die Erklärungsversion der Bremer Vorfälle, dass die Ursachen für die vielen Positivbescheide in einem Zuviel an Gutmenschlichkeit des traditionell SPD-nahen Bundeslands liegen, für sehr unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher wäre für mich eher die Erklärung, dass die Leiterin aus Karrieregründen beim Ranking in Sachen Entscheidungsdichte und -häufigkeit bundesweit ganz oben dabei sein wollte und sie gleichzeitig nicht wollte, dass man bei der Quote an eigenen Asylentscheidungen ganz hinten liegt. Welcher Asylbewerber legt schon Berufung gegen einen Positivbescheid ein? Ewald Beck, Bad Homburg

Rücken stärken

„Für Ulrike B.“, taz vom 25. 5. 18

Der Text „Für Ulrike B.“ spricht aus, was mir durch den Kopf ging, als die ersten Infos über den Bamf-Skandal in den Medien auftauchten. Kann es so schlimm sein, die Vorschriften ein bisschen zu manipulieren, um dadurch Menschen zu helfen? Ist es nicht schlimmer, ihnen Hilfe zu verweigern?

In beiden Fällen werden Gesetze nicht genau befolgt, aber nur bei unrechtmäßiger Hilfe gibt es einen Skandal. Ich finde, es müsste umgekehrt sein. Und ich hoffe, dass Frau B. wusste, was sie tat, auch dass Geld keine Rolle spielte. Dann hätte sie wirklich einen Orden verdient!

Den können wir ja leider nicht vergeben, aber könnte man ihr nicht (zusätzlich zu diesem Artikel) den Rücken stärken in diesem unwürdigen Geschehen? Durch eine Aktion im Internet vielleicht? Ich bin zu alt und nicht fit genug, um eine solche Initiative zu starten, würde aber Ulrike B. gerne wie auch immer unterstützen, „denn Menschen ohne Rückgrat haben wir schon zu viel“. Josefa Bissels, Krefeld

Keine Unterwerfung

„Für Ulrike B.“, taz vom 25. 5. 18

Von Beginn an verfolge ich die Debatte im sogenannten Bamf-Skandal und frage mich, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, Jesiden das Asylrecht zu verweigern und warum sich das nicht ein/e einzige/r Jounalist*in ebenfalls fragt.

Vielleicht hat es vor Juri Sternburg bereits jemand aus Tagespresse, Rundfunk oder Fernsehen getan und ich weiß es nur nicht, ich befürchte jedoch eher nicht! Er geht dabei sogar noch einen (richtig logischen) Schritt weiter als ich und fragt: „Was ist falsch daran, sich einem System nicht zu unterwerfen, das für Tausende ertrunkene Flüchtlinge mitverantwortlich ist?“

Ich kenne Juri Sternburg nicht und er war mir bisher nie aufgefallen. Aber wenn einer in diesem Jahr einen Journalistenpreis verdient hat, dann unter anderem er für diesen Artikel!Michael Marquardt, Hamburg