hörbuch
: Hitchcocks knarzende Treppen

Alfred Hitchcock war schon früh bewusst, dass in Filmen die Spannung auf der „Tonspur“ erzeugt wird – um sie zu erhöhen, postierte er schon zu Stummfilmzeiten ganze Orchester im Kino. Entsprechend groß war seine Leidenschaft für das Radio. Als 1940 mit „Suspense“ eine der erfolgreichsten Hörspielserien im US-amerikanischen Radio startete, adaptierte Hitchcock für die Pilotfolge den Jack-the Ripper-Roman „Der Mieter“ von Marie Belloc Lowndes ein zweites Mal; 1927 hatte er ihn als Stummfilm verfilmt.

Löblich, dass der rbb ein Remake des Hitchcock-Klassikers produziert hat. Dass es spannender ist als die Filmversion, liegt vermutlich am binauralen Aufnahmeverfahren der Kunstkopfstereofonie. Durch die spezielle Anordnung der Mikrofone in einem künstlichen Kopf wird eine frappante Räumlichkeit erzeugt, akustische Informationen prasseln aus allen Richtungen auf die Hörer*innen ein – wenn sie mit Kopfhörern zuhören. Toningenieur Peter Avar musste sich bei der Produktion ungewohnten Herausforderungen stellen: Raumklang und Geräusche können beim Kunstkopfverfahren nicht im Nachhinein untergemischt werden, knarzende Treppen und Hufgeklapper müssen live aufgenommen werden, die Sprecher wie Schauspieler im Raum agieren.

Vermutlich hat die Münchner Regisseurin Regine Ahrem ein ähnlich akribisches Storyboard angefertigt, wie Hitchcock es für seine Filme tat, so homogen agiert das Ensemble. Gerd Wameling lässt den Wahnsinn Jack the Rippers immer an der richtigen Stelle aufblitzen, Erzähler Max von Pufendorf trägt mit betont unbetontem Ton zum Spannungsaufbau bei. Nimmt man den Kopfhörer ab, verflacht das Hörerlebnis tatsächlich enorm, die Produktion überzeugt aber auch in Stereo.

Nicht ganz so aufwendig, aber ebenfalls mit einem guten Gespür für die Zwischentöne hat die Hörspielregisseurin Irene Schuck das Kammerspiel „Cocktail für eine Leiche“ arrangiert. Hitchcock hatte den Film 1948 mit mehreren Plansequenzen inszeniert und damit den Charakter eines Theaterstücks aufrechterhalten. Einen ähnlichen Effekt stellt Schuck her, indem sie die Regieanweisungen aus Patrick Hamiltons Drama von 1929 übernimmt.

In „Cocktail für eine Leiche“ agiert Jens Wawr­czeck als Erzähler ironisch-humorvoll, wenn er die junge Leila als hübsch, aber völlig „leer im Kopf“ vorstellt, sie es aber ist, die mit der Vermutung ins Schwarze trifft, dass in der Kiste, von der die Cocktail-Gesellschaft gerade ihre Gurkensandwiches speist, eine Leiche liegt. Das Hörspiel ist zügig und kurzweilig komponiert, nur ein wenig sehr komprimiert wirken der eingangs geführte Dialog zur Feststellung, dass das einzige Motiv des Mordes an ihrem Kommilitonen Ronald ist, zu zeigen, dass ein perfekter Mord möglich ist, und die Moralpredigt ihres alten Mentors Rupert Cadells. Sylvia Prahl

„Der Mieter“. CD, 65 Min., Osterwold Audio, Hamburg 2018

„Cocktail für eine Leiche“. MP3, CD, 61 Min., Edition audoba, Vitaphon, Hamburg 2018