Affenschande: Tropenholzmafia auf Gartenmesse

Alle 20 Sekunden verschwindet auf Borneo Wald von der Größe eines Fußballfeldes. Auf der Kölner Spoga-Messe taucht das Holz als Outdoor-Möbel auf

VON TORSTEN SCHÄFER

Auf Borneo soll an der Grenze zwischen Indonesien und Malaysia die größte Palmöl-Plantage der Welt entstehen. Für die Plantage müsste eine Fläche Tropenwald abgeholzt werden,die so groß ist wie Sachsen. „Diese Mega-Schneise wäre eine ökologische Katastrophe. Sie ist auch ökonomisch unsinnig“, sagt Nina Griesshammer, Waldexpertin des World Wide Fund of Nature Deutschland (WWF), der auf Borneo gegen die Zerstörung der Heimat von Orang-Utan, Nasenaffe und Nebelparder kämpft.

Dabei zeigt eine Studie des Center for International Forestry Research, dass Ölpalmen im gebirgigen Grenzland nur äußerst schlecht wachsen. Dennoch entstehen auch hier die weitläufigen Plantagen. Grund: Der weltweite Bedarf nach Palmöl wächst stetig. Selbst in Deutschland ist es nach Rapsöl das meist verwendete Pflanzenöl. Und Indonesien und Malaysia stellen die Hauptlieferanten für das Öl, das für die Herstellung von Margarine, Süßigkeiten, Kosemetik, Fertiggerichten oder Waschmittel verwendet wird.

Ein größere Gefahr für den Tropenwald sind allerdings die Holzfirmen, die am Kahlschlag des indonesischen Dschungels verdienen. „Die Tropenmafia schmuggelt in Indonesien viel Holz hinüber nach Malaysia“, weiß Thomas Schneider vom Institut für Weltforstwirtschaft an der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft. Zwar gebe es Gesetze zum Schutz der Wälder. Doch die Kontrollinstanzen versagten, weil Beamte bestochen würden. Auch deshalb werde derzeit nirgendwo mehr Tropenwald in kürzester Zeit vernichtet als in Indonesien, so der Forstwissenschaftler.

Dramatisch ist die Lage auf Borneo, dem letzten großen Refugium des Orang-Utan. Weil ihr Lebensraum in den Wäldern immer kleiner wird, ist die Zahl der Affen von 1990 bis heute um zwei Drittel auf 55.000 Tiere zurückgegangen. Bis 2020 könnte die Art aussterben, wenn nicht gehandelt wird, befürchten Artenschützer. „Auf Borneo geht alle 20 Sekunden Tropenwald in der Größe eines Fußballfeldes verloren“, sagt WWF-Expertin Griesshammer. In den vergangenen 50 Jahren hat Indonesien fast die Hälfte seines Regenwaldes verloren.

Auf Möbelausstellungen wie der Fachmesse für Sport, Camping und Lifestyle (Spoga) in Köln tauchen Indonesiens Bäume dann als Stühle oder Bänke wieder auf. Gartenmöbel sind eine der wichtigsten Sparten der Spoga, die heute zu Ende geht. Auch 29 indonesische Unternehmen bieten in Köln ihre Möbel an. Werden sie nach der Herkunft ihrer wohlig duftenden Stühle und Tische aus Teakholz gefragt, so kommt das Holz immer aus kontrolliertem Anbau. Oft entspricht das aber nicht der Wahrheit.

75 Prozent des Tropenholzes, das Indonesien jährlich nach Deutschland exportiert, stammt aus illegalen Quellen. So lautet das Ergebnis einer aktuellen WWF-Studie. Allein in Deutschland ist Indonesien mit einem Marktanteil von 23 Prozent nach Brasilien die wichtigste Bezugsquelle für Tropenholz.

Tatsächlich kommt aber wesentlich mehr Holz aus Indonesien: Ein nicht geringer Teil wird laut WWF über Transitländer ausgeführt und umdeklariert – die Herkunft ist dann nicht mehr nachvollziehbar. „Illegal eingeschlagenes Holz von Legalem zu unterscheiden, ist eines der Hauptprobleme“, erklärt Holzhandelsforscher Schneider. Lösung: Jeder exportierte Stamm könnte einen Chip zur Kontrolle tragen: „Technisch ist das machbar.“

Auf der Spoga treten die indonesischen Großunternehmen, die neben Holzfällerei und Holzverarbeitung auch Palmölproduktion und Papierindustrie kontrollieren, jedoch nicht auf. Stattdessen werden unbekannte Tochterfirmen vorgeschickt. Auch der Veranstalter Koelnmesse sieht sich nicht in der Verantwortung. „Wir spiegeln nur die Branche wieder. Es kann sein, dass auf der Spoga das ein oder andere schwarze Schaf dabei ist“, erklärt Produktmanager Martin Brüggemann. Weil das Thema Tropenholz immer wichtiger werde, biete die Messe aber mit dem „Spoga-Talk“ ein Diskussionsforum für Möbelhersteller, Fachverbände und Umweltorganisationen an.

Hinter den Kulissen läuft derweil ein erbitterter Streit zwischen Holzwirtschaft, Parteien und Umweltverbänden ab. Die Debatte hat sich am Entwurf von Bundes-Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) zum Urwaldschutzgesetz entzündet. Der Entwurf geht weit über die Anstrengungen hinaus, die etwa die EU gegen den unkontrollierten Holzhandel unternimmt. Bisher ist in Deutschland der Handel und Verkauf von fragwürdigen Holzprodukten nicht verboten. „Mit dem Gesetz müssten Unternehmen die legale Herkunft ihres Holzes nachweisen“, erklärt Ulrich Malessa, Experte für nachhaltige Waldwirtschaft vom Ökoholz-Siegel FSC (Forest Stewardship Council). Der Legalitätsnachweis geschieht bereits auf freiwilliger Basis: Zertifikate wie das international gültige FSC weisen aus, dass Holz und Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammen. Doch die indonesische Waldwirtschaft hat das FSC-Siegel noch nicht erreicht. Und das Urwaldschutzgesetz liegt wegen der Neuwahlen derzeit auf Eis.

Der Holzhandel bekämpft das Gesetz mit allen Mitteln: Das Regelwerk sei „eine unverantwortliche Vorgehensweise, zu der einem eigentlich nur noch das Wort von der Visa-Affäre einfällt“, empört sich Rudolf Luers, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes Deutscher Holzhandel (GD Holz). Mit dem Gesetz werde die gesamte Branche unter Generalverdacht gestellt. Das Zertifizierungsverfahren belaste die Unternehmen mit Bürokratie und Kosten. Mit der CDU verhandelt der Verband bereits über die Holzpolitik nach der Wahl. Der Holzhandel befürwortet einen freiwilligen Codex. Und die CDU möchte das Urwaldgesetz zwar in abgespeckter Version durchsetzen, wie ihr umweltpolitischer Sprecher Cajus Julius Caesar erklärt, – aber: „Eine gesetzliche Regelung ließe sich abwenden, wenn ein freiwilliger Verhaltenscodex des Holzfachhandels messbare Ergebnisse bringe“, zitiert der GD Holz den Abgeordneten.

Der Verband wendet sich auch gegen strenge Gütesiegel wie das FSC. „Ein anspruchsvolles Siegel wie FSC ist richtig. So lässt sich der illegale Holzhandel bekämpfen“, sagt aber Holzwissenschaftler Schneider. „Nur ein marginaler Teil der eingeschlagenen Hölzer wird aber exportiert“, meint er weiter. „Ein großer Teil bleibt in Ländern wie Indonesien selbst.“ Damit entziehe sich der Großteil des Tropenholzes einer möglichen internationalen Kontrolle.

Ganz kann jedoch auf Tropenholz nicht verzichtet werden. Deutsche Hölzer eignen sich nicht für alle Gewerke im Haus- und Möbelbau. Die besonders robusten Tropenhölzer werden etwa im Fensterbau eingesetzt. Noch immer beziehen viele deutsche Firmen unkontrolliertes Tropenholz aus zweifelhaften Quellen, wie Unternehmensbefragungen von Umweltorganisationen zeigen. Auch auf der Kölner Spoga werden Möbel aus solchem Holz angeboten. Es gibt aber auch zahlreiche Tische, Bänke und Stühle aus nachhaltigem Tropenholz zu kaufen.

„Den Markt für Gartenmöbel hat FSC voll durchdrungen“, sagt Ulrich Malessa von der Öko-Siegel-Organisation. „In großen Baumärkten sind die Produkte aus Tropenholz mittlerweile alle FSC-zertifiziert – die Nachfrage nimmt in unseren Märkten stetig zu“, weiß auch Frank Michel, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Heimwerker-, Bau- und Gartenfachmärkte (BHB). „Generell ist das Siegel aber noch relativ unbekannt“, erklärt Handelsexperte Schneider.

Vor allem die Verbraucher können helfen, den Raubbau am Regenwald einzudämmen – dazu gehört vor allem die Bereitschaft, mehr zu bezahlen. Denn noch sind Tropenholzprodukte aus nachhaltiger Waldwirtschaft meist teurer als Edelholzwaren mit unbekannter Herkunft. „Geklautes Holz ist eben billiger“, sagt FSC-Mann Malessa. „Gegen den Raubbau kann der Kunde etwas tun“, sagt BHB-Geschäftsführer Michel. „Er sollte einfach darauf achten, nur noch zertifiziertes Holz zu kaufen.“