LESERINNENBRIEFE
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Unreflektierter Artikel

■ betr.: „Nicht alle Fans sind rechts“, taz.nord vom 8. 10. 12

In Ihrem Artikel berichtet der Autor Andreas Speit über die Tätigkeiten der sogenannten „Initiative gegen (rechte) Hooliganstrukturen“ bei Eintracht Braunschweig. Nicht zuletzt durch die Überschrift, die einleitenden Worte und die Zitate des „Initiative“-Sprechers wird suggeriert, Eintracht habe ein Problem mit rechten Hooligans und ein Umfeld, welches Nazis seit längerem toleriert. Doch dies so einfach zu beschreiben, wird der Komplexität der Situation nicht gerecht und hat bei vielen Eintracht-Fans für Bestürzung, Verärgerung und Fragen über Ihre journalistische Sorgfaltspflicht gesorgt.

Für uns ist es sehr bedauerlich, dass der Autor seine Informationen auf die Aussagen der „Initiative“ stützt. Zwar werden die Eintracht-Pressesprecherin und ein anonymer Polizeibeamter auch erwähnt, doch sind diese mit der Materie selbst nur bedingt vertraut. Wir hätten es dagegen sehr begrüßt, wenn Sie beispielsweise auf uns als Fan-Dachverband, auf das – immerhin von der AWO getragene – Fanprojekt oder zumindest den Vereins-Fanbeauftragten zugegangen wären und Sekundärmeinungen eingeholt hätten.

Sie hätten beispielsweise Informationen über das Zustandekommen der „Initiative“ bekommen. Diese setzt sich im Kern aus Mitgliedern der „Ultras Braunschweig 2001“ zusammen, welche vor gut vier Jahren das Stadion nach einen Zwist innerhalb der Fanszene verlassen haben. Dieser beruhte jedoch nicht auf Politik, sondern auf dem aggressiven und zum Teil gewalttätigen Verhalten der Gruppe selbst. Es ist also weniger die antifaschistische Neuausrichtung der Gruppe, welche sie zu einem „Feindbild“ bei vielen Eintracht-Fans machte, sondern ihre eigene Vergangenheit.

Weiterhin hätten Sie erfahren, dass es in Braunschweig bereits gute Präventionsarbeit gegen Rassismus im Stadion gibt. Seit Jahren existiert ein Dialog zwischen Faninstitutionen, dem Verein und der Polizei, welcher sich diesen Problemen annimmt.

Die in Ihrem Bericht angeführten „Nord Power Dogs“ wurden beispielsweise auf Betreiben der Fans aus dem Stadion entfernt, die im Stadion stehenden Ultras von „Cattiva Brunsviga“ haben sich nach intensiven Gesprächen mit dem Braunschweiger Zentralrat der Sinti und Roma dafür eingesetzt, dass diese leidigen „Zigeuner“-Gesänge im Eintracht-Stadion der Geschichte angehören. Diese Kette kann problemlos fortgesetzt werden (...).

Was wir nicht abstreiten können, sind die Existenzen der im Flyer aufgeführten Gruppen, welchen pauschal eine rechte Gesinnung unterstellt wird. Gleichwohl hätten wir Ihnen aber erklären können, wie präsent diese Gruppen im Stadion sind: Von gut 20.000 Zuschauern am Spieltag lassen sich von allen sieben Vereinigungen vielleicht 20–30 Mitglieder im Stadion antreffen. Diese betreiben hier aufgrund einer internen Regulierung aber weder aktiv Politik noch fallen sie durch Gesänge oder gar gewalttätige Übergriffe auf. Vielmehr sollte man hinterfragen, was eigentlich ein „organisierter Nazi“ ist. Sind es Jugendliche, die im Zuge von Alkohol gewisse Lieder gröhlen und denen geholfen werden könnte oder sind es wirklich organisierte Neonazis, welche aktive Politik betreiben? Im Braunschweiger Fall wären es mit ganz wenigen Ausnahmen Erstere.

Diesen Menschen kann man nicht nur aufgrund ihrer zum Teil aus Unbildung resultierenden Gesinnung ein plakatives Stadionverbot aussprechen. Vielmehr erkennen wir einen pädagogischen Ansatz, mit welchem wir ihnen begegnen – bisher mit Erfolg.

Durch fehlende Recherche haben Sie einen Text publiziert, welcher ein besseres Sprachrohr der „Initiative“ darstellt und wenig reflektierend daherkommt. Mit diesem Text haben Sie dazu beigetragen, unsere Bemühungen um einen bisher geführten Dialog mit allen „Parteien“ zu erschweren, da die in vielen Augen provokante Öffentlichkeitsarbeit der „Initiative“ genau das Gegenteil unserer bisherigen Gespräche darstellt. Und noch viel schlimmer: Hatten wir bisher die marginal vorhandenen Menschen mit rechten Grundtendenzen durch interne Regulierungen und Gespräche in einer Art Kontrollsituation, so kann sich das Blatt jetzt dahin wenden, dass wirklich organisierte und fußballferne Nazis durch diese auch medial unterstützte Eskalation auf den Plan gerufen werden und einen politischen Kampf auf dem Rücken der Eintracht-Fanszene austragen möchten.

Das wäre ein Horrorszenario, welches wir und auch der Verein auf keinen Fall wollen – und das Sie durch Ihren unreflektierten Artikel leider zusätzlich bestärkt haben könnten. ROBIN KOPPELMANN, Fan-Pressesprecher Braunschweig, Fanrat Braunschweig