Lückenschluss mit fatalen Folgen

SPANDAU Der „Treffpunkt“ vor dem Aus: Weil die Hortbetreuung erweitert wird, will der Bezirk das Projekt nicht länger finanzieren

Das Spandauer Kinderprojekt „Treffpunkt“ fürchtet um sein Fortbestehen. Heute entscheidet der Jugendhilfeausschuss der Spandauer BVV über die Streichung der bisherigen Fördermittel von 60.000 Euro. „Wenn wir kein Geld mehr vom Bezirk bekommen, müssen wir schließen“, sagt Eva Kevenhörster, die in Teilzeit für das Projekt arbeitet.

Als niedrigschwellige Einrichtung biete der „Treffpunkt“ in der Großsiedlung Falkenhagener Feld allen Kindern, unabhängig von ihrer sozialen oder kulturellen Herkunft, die gleichen Möglichkeiten, erklärt Kevenhörster. In der Freizeitstätte würden Integration und Gewaltfreiheit spielerisch gelebt. Die Kinder können gemeinsam spielen, malen und lesen, betreut von pädagogischem Fachpersonal.

Hintergrund der geplanten Streichung: Ab 2013 öffnen die Grundschulhorte auch für Schüler der 5. und 6. Klasse, unbetreute „Lückekinder“ wird es nicht mehr geben. Der „Treffpunkt“ als klassisches „Lückenprojekt“ werde dadurch zwar nicht überflüssig, aber es komme zur Doppelfinanzierung, erklärt die Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, Christiane Mross (SPD): „Das können wir uns nicht leisten.“ Der Ausschuss erhalte jährlich Förderanträge über rund 2,2 Millionen Euro, ihm stünden aber nur 1,5 Millionen zur Verfügung.

„Der Vergleich mit Horten ist nicht tragfähig“, wehrt sich Eva Kevenhörster. Größter Unterschied seien die Zugangsvoraussetzungen, so die Sozialpädagogin. Einen Hortplatz müssten Eltern beim Jugendamt beantragen. „Kinder von Hartz-IV-Empfängern werden da bis auf Ausnahmen abgelehnt, weil die Eltern nicht arbeiten gehen.“

Dass ausgerechnet besonders bildungsferne Eltern die Auseinandersetzung mit dem Amt nicht scheuen, hält Kevenhörster für unwahrscheinlich. Die Schließung freier Kinderfreizeitangebote zementiere daher die soziale Ungleichheit. Außerdem habe die nächstgelegene Grundschule im Beerwinkel rund 500 Schüler. Der Hort biete bisher aber nur 200 Plätze. Die Ausschussvorsitzende Mross kontert: „Wenn die Kinder einen Anspruch auf einen Hortplatz haben, müssen auch genügend Plätze bereitstehen.“

Nur in einem Punkt sind sich die Kontrahentinnen einig: darin, dass Spandau sozial absinkt. Oder, wie Kevenhörster nachlegt: „Spandau ist überall.“

BENJAMIN MOSCOVICI