die nachricht
: Armenien hat endlich einen neuen Ministerpräsidenten

Der bisherige Oppositionsführer Nikol Paschinjan will vor allem die Korruption und die Armut im Land bekämpfen. Russland beäugt die neue Regierung argwöhnisch

Das Neue

Der armenische Oppositionsführer Nikol Paschinjan ist gestern vom armenischen Parlament zum neuen Ministerpräsidenten gewählt worden. 59 Abgeordnete stimmten für, 42 gegen ihn. Insgesamt sitzen 105 Abgeordnete im Parlament in Jerewan. Paschinjans Bündnis Jelk verfügt nur über neun Sitze. Der 42-jährige Herausforderer war daher darauf angewiesen, auch Stimmen der bislang herrschenden Regierungspartei der Republikaner zu erhalten.

Bei einer ersten Abstimmung vor einer Woche hatte die Partei des im April zurückgetretenen Ministerpräsidenten, Serzh Sargsjan, dem Herausforderer und einzigem Kandidaten noch die Unterstützung versagt. Auch im zweiten Wahlgang war nicht klar, wie viele republikanische Abgeordnete der Empfehlung der Parteiführung folgen würden. Wäre die Wahl des Ministerpräsidenten erneut gescheitert, hätten demnächst Neuwahlen stattfinden müssen.

Der Kontext

Schon im Vorfeld hatte der Volkstribun der Elite im Parlament mit einem „politischen Tsunami“ gedroht, wenn sie ihn nicht wählen sollte. Seit sechs Wochen ist der Journalist damit befasst, das korrupte Geflecht aus Politik und Geschäft in der Südkaukasus-Republik aus den Angeln zu heben. Korruption. Ein Drittel der 2,9 Millionen Einwohner lebt am Rande des Existenzminimums.

Die Zeit war reif für Proteste. Daher erhielt Paschinjan aus der Bevölkerung auch ungeahnten Zuspruch. Rund 80 Prozent sprachen sich in Umfragen für den jungen Politiker aus. Vor allem die Jugend sieht in ihm einen Hoffnungsträger, um ihn hat sich eine Keimzelle der „samtenen Revolution“ gebildet. Der langjährige Republikchef Serzh Sargsjan musste zurücktreten und die Strukturen des Herrschaftsgefüges, darunter die Republikanische Partei, gerieten ins Wanken.

Die Reaktionen

„Wir haben unsere Position nicht geändert. Wir sind gegen die Kandidatur von Nikol Paschinjan, aber das wichtigste für uns ist die Stabilität des Landes“, sagte der Fraktionschef der Republikaner, Vagram Bagdasarjan zähneknirschend. Unterdessen brachen Paschinjans Anhänger in Jubel aus, als das Ergebnis bekanntgegeben wurde.

Dem Verbündeten Russland sicherte Paschinjan zu, nicht von der Stange zu gehen. Schon aus strategischen Überlegungen, stellt der Neue geopolitische Fragen hinten an. Moskau hatte die Entwicklung in der Kaukasusrepublik misstrauisch verfolgt. Michail Leontjew, Pressechef und Topmanager beim russischen Ölkonzern Rosneft, misstraut Jerewan ebenso: „Mit unserem Blut, Leben, Geld, Gas und unseren Soldaten haben wir dieses Volk gerettet. Ohne uns gebe es keinen Armenier mehr.“ Das Land sei eine Last für Russland, meinte Leontjew.

Die Konsequenz

Es wird nicht einfach für Paschinjan. Die bisherige Regierungspartei wird ihm das Regieren bis zu Neuwahlen noch schwer machen. Auch Russlands Argwohn dürfte Kräfte stärken, denen nicht daran gelegen ist, dass Armenien auf die Beine kommt

Klaus-Helge Donath, Moskau