DAS TV-DUELL SCHRÖDER – MERKEL KANN DER WÄHLER GETROST VERGESSEN
: It’s Fernsehen, stupid!

Wer am Montag nach dem Fernsehduell nichts Besseres zu tun hatte, konnte sich stundenlang mit der Frage befassen, ob Schröder oder Merkel gewonnen hatte. Wer am Montag immer noch nicht verkraftet hatte, dass das Fernsehen am Sonntagabend mit der Inszenierung eines Nicht-Ereignisses auf vier Sendern gleichzeitig zum Breschnew-TV mutiert war, durfte sich völlig zu Recht darüber beklagen. Für den halbwegs aufgeklärten, einigermaßen fernseherprobten Staatsbürger kam aber auch noch eine dritte Variante des Umgangs mit dem TV-Duell in Frage: das Vergessen.

Diese souveräne Reaktion wird dem Charakter des Ereignisses am ehesten gerecht. Denn eines hat das Fernsehduell nach den Erfahrungen von 2002 endgültig bewiesen: Das Format ist nicht das behauptete politische Großereignis, das den Ausgang von Bundestagswahlen maßgeblich beeinflusst. Es ist eine Fernsehsendung. Nicht weniger, das sei für die Freunde des Fernsehens hinzugefügt – aber ganz gewiss auch nicht mehr, das sei den Freunden der Politik (ja, die soll’s geben) in Erinnerung gerufen. Das Fernsehen funktioniert nun mal nach seinen eigenen Gesetzen. Wer weiß schon noch am Montagmorgen, was er am Sonntagabend in der „Tagesschau“ gesehen hat?

Den Bürgern ist der reine Fernsehcharakter des Duells mehr bewusst als den Repräsentanten der politisch-medialen Klasse, die mit ihrer kindlichen Fixierung auf die vordergründige Wirkung ihres Tuns und damit auf das Fernsehen sich ihres wichtigsten Kapitals beraubt: des Vertrauens in ihr ernsthaftes Bemühen. Der Zuschauer fühlt sich beim Duell als Zuschauer, nicht jedoch als Bürger angesprochen. Nicht Kirchhoffs Steuerpläne sind ihm wichtig, sondern die Frage, ob aus dieser Merkel mit diesem ungewohnten Lächeln nicht doch mehr werden könnte als eine verkniffene Eiserne Lady. Von Schröder will man nicht wissen, warum er erst in der Stunde seines Abgangs so viel über erneuerbare Energien redet, sondern ob ihn seine Erfahrung als Kanzler souveräner gemacht hat. Lernen kann dabei niemand etwas.

Das ist nicht weiter tragisch. Das nächste TV-Duell wird kommen, und auch danach wird die Republik keine andere sein als zuvor. JENS KÖNIG