Thomas Mauch
hört auf den Sound der Stadt
:

Der Blick zurück soll ja besserenfalls nicht nur ein erinnerungsseliger sein (wer will, kann hier mit Freddy Quinn „Heimweh“ singen, also: „so schön, schön war die Zeit …“). Beim Blick zurück will man doch zumindest Vergessenes und Verschüttetes neu entdecken oder vor allem schauen, was es bei den Umbrüchen und neuen Wegen, die da mal eingeschlagen wurden, noch an Brauchbarem gibt. Gerade wird zum fünfzigsten Jubiläum des 68er-Jahres auf die Bewegungen der damaligen Zeit geblickt, in der es schon musikalische Umbrüche und Neuorientierungen zu hören gab. Wenn auch die sich als Einschnitt darstellende Datumsangabe 1968 eine eher ungefähre ist.

Bis Sonntag noch ist dazu in der Akademie der Künste mit „Underground und Improvisation“ eine Doppelausstellung zu sehen, in der die „Alternative Musik und Kunst nach 1968“ (so der erweiterte Titel) zweifach sortiert dargestellt wird: Einerseits darf man sich mit den zum Teil recht wilden Gegenkulturen des sogenannten Ostblocks vertraut machen, andererseits erinnert man an die Arbeit des Westberliner FMP-Labels, das die prominenteste deutsche Adresse für den Free Jazz war.

Das dem Genre seinen Namen gebende Album „Free Jazz“ von Ornette Coleman wurde übrigens 1961 veröffentlicht. Auch noch im Titel dabei die prinzipielle Handlungsanweisung: „A Collective Improvisation“.

Und das kann man immer aufs Neue durchspielen. Zur Finissage von „Underground und Improvisation“ am Sonntagabend macht das eine Runde aus der jüngeren Improvisationsmusikszene um den US-Saxofonisten Ken Vandermark. Dabei sollen auch Stücke aus dem FMP-Katalog aufgegriffen werden. Also neu improvisierte Improvisationsmusik. Eine echte Herausforderung (Hanseatenweg 10, 19.30 Uhr, 13/7 €).

Bewährt und gut: das aus Karlsruhe kommende Kammerflimmer Kollektief. Feingekörnte Ambient-Exerzitien, Verfeinerung des Lärms, frei spielender Jazz als Assoziationsraum. Das alles als Meditation über und Annäherung an Schönheit – deren Flüchtigkeit sich die Band durchaus bewusst ist.

Oder das vielleicht neue Ding: International Music aus Essen. Haben mit „Die besten Jahre“ bei Staatsakt gerade das Debüt vorgelegt, mit einer bewusst hüftsteif swingenden Musik. In etwa wie FSK, die sich in Velvet Underground einfühlen.

Beide Bands spielen am Freitag, erstere im HAU1 (Stresemannstr. 29, 21 Uhr, 16,50 €), zweitere im Internet Explorer (Ziegrastr. 11, 21 Uhr).

So schön, schön kann die Zeit werden.