Alte Sorten ganz neu

OBST Pestizide sind keine Lösung, findet das PAN. Statt dessen sollte man auf die Sorten achten

Die Agraringenieurin und Pan-Projektkoordinatorin hat in der praktischen Landwirtschaft gearbeitet und sich wissenschaftlich unter anderem mit Landschaftsschutz beschäftigt Foto: Privat

taz: Frau Haffmans, das Pestizidaktionsnetzwerk (PAN) e.V setzt sich für den Schutz der Apfelvielfalt ein. Warum ist das notwendig?

Susan Haffmans: Wir setzen uns für den Erhalt der biologischen Vielfalt ein und dazu gehört natürlich auch der Erhalt der Apfelvielfalt. Im 19. Jahrhundert gab es in Deutschland noch rund 7.000 verschiedene Apfelsorten. Heute liegt die Zahl bei 1.500, und nur noch 10 bis 40 Sorten sind marktrelevant.

Wieso sind so viele der Sorten ausgestorben?

Viele Äpfel werden heute maschinell geerntet. Das spart Personalkosten. Aber nicht alle Sorten eignen sich dafür. Weiterhin ist viel selektiert worden, zum Beispiel auf Aussehen, auf einheitliche Größe der Früchte und auf Lagerfähigkeit. Für die Supermärkte ist es natürlich gut, wenn alle Früchte gleich aussehen und das ganze Jahr über in derselben Qualität zu haben sind. Außerdem kennen die Kunden die Sorten und verlangen ganzjährig die selben Äpfel.

Wieso setzt sich das Pan dafür ein, dass Pestizidnutzung vermieden wird?

Nehmen Sie zum Beispiel das Mittel Calypso, das im Obstbau eingesetzt wird. Es steht in dem Verdacht krebserregend zu sein, kann Atembeschwerden verursachen und reizt die Haut. Außerdem wirkt es schädigend auf Nützlinge wie den Marienkäfer. Demgegenüber stehen Pflanzenschutzverfahren, die auf biologische Verfahren setzen. Weniger chemisch-synthetische Pestizide bedeuten auch weniger Rückstände in unseren Lebensmitteln. Gerade Äpfel sind belastet. Nach neuesten Daten weisen 47 Prozent der Äpfel Rückstände auf.

Wie kann die Nutzung von Pestiziden vermieden werden?

Vermeiden kann man das durch Vorbeugung. Das fängt schon bei der Sortenwahl an. Und man muss den Bestand gesund halten, indem man die richtigen Pflegemaßnahmen vornimmt, zum Beispiel die Krone rechtzeitig auslichtet, sodass genug Luft an den Baum kommt, damit sich keine Pilzkrankheiten ausbreiten können. Weiterhin muss der Baum ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden. Alles, was den Baum schwächt macht ihn anfällig für Schädlinge.

Wer engagiert sich neben dem Pan noch für die Erhaltung der Artenvielfalt?

Für mehr Artenvielfalt setzen sich die AG Streuobst und der Pomologenverein ein. Außerdem gibt es auch einige Baumschulen und Obstbauern, die sich auf alte Sorten spezialisiert haben und gerne beratend zur Seite stehen.

Was kann ich als Konsumentin konkret tun?

Wer vorhat einen Apfelbaum zu pflanzen, kann eine alte regionaltypische Apfelsorte wählen. Verbraucher können auch auf dem Markt nach alten Sorten fragen und den lokalen Händler darauf aufmerksam machen. Und natürlich kann man sich für Bioäpfel entscheiden, die ohne chemisch-synthetische Pestizide angebaut wurden. Außerdem sollte man seine Erwartungen senken, das ganze Jahr lang den selben Apfel kaufen zu können und stattdessen mehr Mut für Neues haben. Auch wenn es vielleicht eigentlich ganz alt ist.INTERVIEW: LISA FRANKENBERGER