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Rio am Mersey

Jährlich im August treffen sich Beatlemaniacs aus aller Welt in Liverpool zum International Beatleweek Festival. Fast jedes Jahr mit dabei: Mariana und Leandro aus Brasilien mit ihrer Band

Liverpools berühmteste Söhne: ein Denkmal für die Beatles. Treffpunkt: Mariana und Leandro vor der Tafel an der St. Peter Church, die an das erste Zusammentreffen von John Lennon und Paul McCartney erinnert Fotos: Philip Dethlefs/dpa, Helene Hinrichsen

Von Helene Hinrichsen

„Allein, in dieser Stadt zu sein ist schon aufregend, und dann auch noch aufzutreten – einfach großartig!“ Über Liverpool während der International Beatleweek kann Mariana Dantas nur schwärmen. Um auf der Bühne des weltberühmten Cavern Club zu stehen, nahm die brasilianische Journalistin und Musikerin schon viermal die weite Anreise nach Großbritannien in Kauf – auf eigene Kosten, versteht sich. Denn bei dem Festival dabei sein zu dürfen, das den berühmtesten Söhnen der Stadt am Mersey gewidmet ist, ist eine Ehre. Geld gibt’s nicht oder jedenfalls nur für die wenigen Stargäste.

Jährlich im August verwandelt sich das eh schon lebhafte Zentrum Liverpools mit seinen Klubs und Kneipen, Mekka von Beatles-Fans aus aller Welt, in eine Tag und Nacht pulsierende, volle, bunte, laute Feiermeile. Rund um die Uhr präsentieren bekannte und weniger bekannte Beatles-Coverbands aus aller Welt ihre Versionen von „Yesterday“ und „Let It Be“. Fast so gern wie selbst aufzutreten hört sich Mariana die anderen an: „Die Songs kennt man ja, aber wie Japaner, Deutsche oder Amerikaner sie singen und arrangieren, ist wirklich sehr unterschiedlich.“ Adaptionen durch europäische Bands findet die 36-jährige Keyboarderin eher traditionell, Südamerikaner würden die berühmten Hits mit neuem Rhythmus und mehr Lebenslust vermischen.

Heirat im Cavern Club

So verschieden wie die Darstellungen sind auch Kleidung und Haartracht der Musiker: von perfekten Pilzkopf-Imitaten und Sergeant-Pepper-Kostümen über Anzüge bis zur Rockerkluft findet sich alles auf den Bühnen, von denen die beiden im engen, unterirdischen Cavern Club am beliebtesten sind. Schließlich haben John, Paul, George und Ringo hier ab 1961 – nach ihrer Rückkehr aus Hamburg – regelmäßig gespielt. Genau genommen war das nicht in den heutigen Räumen, denn der ursprüngliche Cavern Club auf der anderen Straßenseite musste 1973 dem Bau einer U-Bahn-Lüftung weichen. Für den jetzigen Keller, der 1984 eröffnete, wurden aber teilweise Originalsteine des Vorbilds verwendet, und auch sonst ist er ihm detailgetreu nachempfunden.

Kein Wunder also, dass Mariana und ihr Liebster Leandro Souto Maior, Gitarrist, im August 2014 nach einem Konzert mit ihrer „Calangles Rock Band“ auf der kleinen Bühne des Cavern heirateten. Leandros Antrag erfolgte auf Englisch und setzte sich aus Beatles-Zitaten zusammen von „I Wanna Hold Your Hand“ bis „Will You Still Need Me, When I’m Sixty-four“; Zeremonienmeister war Ringer Starr, ein dem wahren Beatle verblüffend ähnlich sehendes Double aus den USA.

2015 zog das Beatles-verrückte Paar aus Rio de Janeiro in das rund 200 Kilometer entfernte idyllische Bergdorf Visconde de Mauá. Dort eröffneten sie die „Casa Beatles“, einen kleinen Pub, der auch ein Museum mit unzähligen Büchern, Postern, Platten und anderen Beatles-Devotionalien ist, und in dem sie an Wochenenden nicht selten mit Freunden jammen. Auf der Speisekarte stehen neben regionalen Spezialitäten auch Fish ’n’Chips und „Penne lane“. Und als sie in einem Jahr nicht selbst nach Liverpool reisen konnten, organisierten die beiden in ihrer neuen Heimat kurzerhand eine eigene Beatleweek mit viel Live-Musik.

Wer in Liverpool nicht nur Klubs und das Cavern Quarter erleben möchte, kann sich einer geführten Tour zu den zahllosen Beatles-Gedächtnisorten anschließen: zur Penny Lane etwa, zum Tor der Villa Strawberry Field, zur St. Peter Church, wo sich John und Paul 1957 auf einem Gartenfest kennenlernten, was auf einer vielfotografierten Gedenktafel dokumentiert ist, und auf deren Friedhof der Grabstein von Eleanor Rigby zu besichtigen ist. Die Häuser, in denen die Fab Four aufwuchsen, stehen selbstverständlich auch auf dem Programm. Und den Empress Pub in der High Park Street, der auf Ringo Starrs erstem Soloalbum „Sentimental Journey“ abgebildet ist, schmückt eine entsprechende Plakette.

International Beatleweek Festival: 22.–28. August 2018, Infos und Buchung: www.internationalbeatleweek.com

Hinkommen: Von Hamburg per Direktflug nach Manchester (Ryanair, etwa 90 Minuten), dort per Zug oder Bus nach Liverpool (etwa 60 Minuten).

Unterkommen: Während des Festivals weder einfach noch billig – ein Bett im Hostel gibt’s für 30 bis 50 Euro pro Nacht, etwa im Euro Hostel in der Stanley Street unweit des Cavern Club (Ohrstöpsel nicht vergessen). Der Festivalorganisator Cavern City Tours bietet diverse Hotel- und Konzert-Pakete an.

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Infos und Bilder zur „Casa Beatles“ in Visconde de Mauá gibt’s auf www.facebook.com/casabeatles und www.instagram.com/casabeatles

Weltkulturerbe mit Hafen

Liverpool ist aber nicht nur Beatles-Stadt: Fußballfans bietet der FC Liverpool Stadionführungen mit ehemaligen Spielern, Architekturinteressierte werden sich von der kühlen Geometrie des Albert Dock begeistern lassen, eines ehemaligen Speicherhauskomplexes, Kunstfreunde von der Tate Liverpool, einer Zweigstelle der Londoner Tate Modern. Große Teile der historischen Hafenstadt sind Weltkulturerbe, im Kontrast dazu stehen moderne Bauten wie das Liverpool Museum oder der Longitude- und Latitude-Komplex mit seinen schwarzen Glasfassaden.

Genug zu sehen also für die Zeit zwischen den Konzerten – einmal den Kopf freipusten lassen und die Ohren erholen, bevor man wieder abtaucht in die Klub-Welt zu Beatles-Bands und Beatles-Songs.