Beate Schederschaut sich in Berlins Galerien um:
Vor einem Jahr, zur documenta, hatte Ibrahim Mahama in Athen den Syntagma-Platz mit einem Teppich aus Jutesäcken bedeckt und mit ebensolchen in Kassel die Torwachenhäuser verhängt – einige werden sich daran erinnern. Im Anschluss begann der ghanaische Künstler sein daad-Stipendium in Berlin und zeigt nun in der Galerie des daad eine Installation, für die er wieder ausgediente Materialien zusammengetragen hat: Schulschränke, Lehrbücher, parlamentarische Debatten, Eisenbahnfotografien aus Ghana bilden ein begehbares Archiv; an der langen Wand ruhen Krankenbahren aus den beiden Weltkriegen, die Mahama in Athen auf dem Schrottplatz fand, ergänzt mit hölzernen Nachbildungen, die er mit Textilien aus afrikanischen Fischräuchereien bespannte (sie sind nicht zu überriechen). Alles zusammen bildet ein Netz an Verweisen, das eine Ahnung von der Komplexität geopolitischer Zusammenhänge wie auch des menschlichen Daseins im Lauf der Geschichte zu vermitteln versucht (bis 20. 5., Di.–So. 12–19 Uhr, Oranienstr. 161).
Mit einer speziellen Form menschlichen Daseins beschäftigt sich Peter Voss-Knude seit vier Jahren, der dänischer Soldaten nämlich. Für seine Ausstellung im Grimmuseum, wo er gerade eine Künstlerresidenz verbracht hat, hat der Künstler, der in seiner Praxis Musik mit Zeichnung kombiniert, einen Song mit einem Hauptmann aufgenommen. In der gefühlsgeladenen Ballade geht es um die Rolle des Soldaten zu Kriegs- und Friedenszeiten. „Can I want peace?“ und „Who am I then?“ schmettert Captain Ekelund entsprechend. Das Video kombiniert Voss-Knude mit Skulpturen und Zeichnungen, die um Männlichkeitsbilder und die Diskrepanz zwischen Kasernenalltag und militärischer Gewalt kreisen (bis 12. 5., Mi.–Sa. 14–18 Uhr, Fichtestr. 2).
Weniger Menschen, dafür umso mehr Tiere begegnen einem zeitgleich im Kunstraum Kreuzberg Bethanien. Die Kuratorinnen Lorena Juan, Lena Johanna Reisner und Anaïs Senli haben aus einem Zitat Donna Haraways den herrlichen Titel „Capitalo, Chthulu, and a Much Hotter Compost Pile“ extrahiert, eine Schar Künstler*innen eingeladen, die sich mit ökologischen Krisen, Erdbewohnern und deren spekulativer Zukunft beschäftigen und zusätzlich ein Begleitprogramm zusammengestellt. Der vielleicht faszinierendste Beitrag stammt von Anne Duk Hee Jordan, die vor einem Video, das der irren Schönheit von Unterwasserwelten huldigt, eine Roboterkrabbe Plastikmüll aufsammeln und dann wieder in Sisyphus-Manier von sich stoßen lässt (bis 10. 6., tgl. 11–20 Uhr, Mariannenplatz 2).
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