Übers Ziel hinaus

LITERATUR Mit seinem Roman „Im Kasten“ über einen obsessiven Ordnungsoptimierer macht Jens Sparschuh den Auftakt bei der 21. LiteraTour Nord. Bis Februar gehen sechs Autorinnen und Autoren der Gegenwartsliteratur auf Lesereise durch Norddeutschland

Sparschuh zeichnet einen zwanghaften Charakter, der mit seinem obsessiven Ordnungswahn eine groteske Figur abgibt

VON LARS LALOIRE

Ein großer Freund der Ordnung ist Hannes Felix. Seine Frau ist der tragische Held in Jens Sparschuhs neuem Roman „Im Kasten“ schon zu Beginn los – und selbst ihren Koffer muss der Ordnungsoptimierer noch aufräumen. Bestens untergebracht ist er also als Vertreter bei NOAH, jener Firma für „Neue Optimierte Auslagerungs- und Haushaltsordnungssysteme“, in der Geschäfts- wie Privatkunden Akten, Konservenbüchsen, Winterreifen oder sogar Särge zwischenlagern können, bis sie eines Tages (wieder) benötigt werden. Aber Norbert, der Chef von NOAH, hat auch zu viele Mitarbeiter in seinem Unternehmen zwischenlagert. Und weil seine Kunden immer seltener über die Schotterpisten zum Firmensitz am Rande Berlins hinausfahren, purzeln die Umsätze.

Zeit, in die Werbeoffensive zu gehen. Für die Hannes Felix kurzerhand selbst die Initiative ergreift. Statt zu warten, bis die Menschen zu ihm kommen, stattet er ihnen Hausbesuche ab, um ihnen die Vorteile der Entrümpelung und Zwischenlagerung nahezubringen. Natürlich schießt der Kämpfer gegen das Chaos auch hier ein ums andere Mal übers Ziel hinaus.

Einen zwanghaften Charakter zeichnet Sparschuh, der mit seinem obsessiven Ordnungswahn eine groteske Figur abgibt, die von einem Unglück ins nächste stolpert – ohne die Ursachen seines Stolperns zu begreifen. Dabei ist „Im Kasten“ wie schon andere Romane Sparschuhs mit einer ganz eigenen, oft ironischen Komik ausgestattet, die sich an vielen Stellen bis ins Satirische steigert.

Dass Sparschuhs Humor auch Tiefgang besitzt, darf man von einem Doktor der Philosophie dabei erwarten. 1955 in Karl-Marx-Stadt geboren, studierte er von 1973 bis 1978 Philosophie und Logik in Leningrad und promovierte 1983 in Berlin, wo er seitdem als freier Schriftsteller lebt.

Erleben kann man den Wahlberliner, der wegen seiner „literarischen Hochkomik“ dieses Jahr auch für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war, in den nächsten Wochen bei sechs Lesungen im Rahmen der 21. LiteraTour Nord. Jeweils im Herbst beginnt die Lesereise durch Norddeutschland, die bis zum Frühjahr sechs Vertreterinnen und Vertreter der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur vorstellt. Am Ende winkt ein Preisgeld von 15.000 Euro, auf der Liste der bisherigen Preisträger finden sich bekannte Namen wie W. G. Sebald, Wilhelm Genazino, Robert Gernhardt und Jenny Erpenbeck.

In diesem Jahr präsentieren sich neben Jens Sparschuh auch Dea Loher, Julia Schoch, Marica Bodrož, Gerhard Seyfried und Patrick Roth jeweils einem Publikum in Oldenburg, Bremen, Lübeck, Rostock, Lüneburg und Hannover. Wer von ihnen am Ende das Preisgeld auf seinem Konto zwischenlagern darf, entscheidet eine Jury nach der letzten Lesung.

■ Jens Sparschuh – „Im Kasten“ (Kiepenheuer & Witsch, 224 S., 18,99 Euro) Oldenburg: So, 21. 10., 11 Uhr, Wilhelm13, Wilhelmstraße 13; Bremen: So, 21. 10, 20 Uhr, Literaturcafé Ambiente, Osterdeich 69a; Lübeck: Mo, 22. 10., 20 Uhr, Buchhandlung Weiland, Königstraße 67a; Rostock: Di, 23. 10., 20 Uhr, Literaturhaus, Doberaner Straße 21; Lüneburg: Mi, 24. 10., 20 Uhr, Heinrich-Heine-Haus, Am Ochsenmarkt 1; Hannover: Do, 25. 10., 19.30 Uhr, Literaturhaus Sophienstraße 2 Alle weiteren Termine unter www.literatournord.de