Gespräch im Vorübergehen

Bei einem internationalen Treffen beraten Citykirchenprojekte in Bremen, wie sie den Anschluss ans urbane Lebensgefühl finden: Die Konzepte reichen vom traditionellen Raum der Stelle bis zur Kirche auf Rädern

„Gibt es bei Ihnen eine Toilette?“ Gar nicht selten ist es dieses zutiefst menschliche Bedürfnis, mit dem Gäste in das evangelische Informationszentrum „Kapitel 8“ in Bremen kommen. Andere treibt die Frage um, wo die berühmte bronzene Skulptur der Stadtmusikanten steht oder der Spuckstein zu finden ist, der an die Hinrichtung der allem Anschein nach psychisch kranken Giftmörderin Gesche Gottfried erinnert. „Da können wir natürlich helfen“, sagt Pastor Hans-Jürgen Jung, der „Kapitel 8“ leitet.

Das Infozentrum ist eine von derzeit 113 Einrichtungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich, die zum stetig wachsenden ökumenischen Netzwerk deutschsprachiger Citykirchenprojekte gehören. Von Mittwoch bis Freitag treffen sich deren Vertreter*innen, um darüber nachzudenken, wie sich Kirche als Teil der modernen Stadtkultur positionieren kann.

Nicht einfach, denn urbane Kommunikation heißt: Die Passant*innen, die an Einrichtungen wie dem „Kapitel 8“ vorbeilaufen, haben wenig Zeit, gehen ihren eigenen Plänen nach und sind oft kirchenfern. „Ziel ist die kurze, injektionshafte Touch-and-Go-Begegnung“, sagt Professor Matthias Sellmann, Leiter des Zentrums für angewandte Pastoralforschung an der Ruhr-Universität Bochum.

Ins Bremer „Kapitel 8“ kommen neben Touristen auch Bedürftige und Menschen, die etwas kaufen wollen. „Den Hilfesuchenden können wir sagen, wo es Beratungsstellen gibt“, sagt Jung, der das Zentrum zusammen mit 20 Ehrenamtlichen managt. Die Käufer suchen meist christliche Devotionalien, Engelsfiguren oder Bücher; manchmal kommen aber auch Besucher, die theologische Fragen erörtern wollen: Ist die biblische Offenbarung tragfähig? Hat Gottes Stimme in der gegenwärtigen Gesellschaft noch eine Bedeutung?

„Man muss schon gut diskutieren können“, hat Pastor Heiko Kuschel festgestellt, der in Schweinfurt regelmäßig mit einer kleinen Kirche auf Rädern durch die Innenstadt zieht. Er gehört zum Sprecherkreis der Citykirchenprojekte. Für Kuschel ist dabei ganz klar: „Wir als Kirche sind die Suchenden. Wir suchen die Menschen, die mit Kirche nichts anfangen können. Deshalb warte ich auch nicht, dass jemand kommt, sondern gehe da hin, wo Menschen sind.“

Vielerorts wurden dazu Cafés, Buchhandlungen oder eher auf Information ausgerichtete Räume wie das „Kapitel 8“ eingerichtet. Sie tragen Namen wie „Offener Himmel“, „Lichtblick“ oder „Café Auszeit“. Oft sind den Anlaufpunkten Kircheneintrittsstellen angegliedert. Die Läden sind zudem nicht selten Ausgangspunkte für spirituelle oder soziale Stadtführungen. Manche liegen neben kulturell bedeutenden Kirchenbauten, andere abseits des städtischen Trubels.

Unterschiedlich sind auch die Konzepte sowie personelle und finanzielle Ausstattungen. Es gehe aber nicht um Gemeindebildung, Kirchenkunde oder ethische Belehrung, erklärt der Pastoralexperte Matthias Sellmann das Verbindende. Er sieht die spirituelle Inspiration als wichtige Aufgabe der Projekte. Das mag ganz unspektakulär in Räumen der Stille geschehen, oder, stylischer, im Liegesessel mit Massageangebot. (epd/taz)