Saubere Lösung

Chico wird wohl sterben – nur anders als gedacht

Von Karolina Meyer-Schilf

Chico. Der Name klingt so lebenslustig, freundlich, schwanzwedelnd, gewitzt. Gar nicht nach dem achtjährigen Staffordshire-Mischling aus Hannover, der vor zwei Wochen seine beiden Besitzer totgebissen hat. Bei solchen Hunden denkt man doch eher an Namen wie Bronco, Odin oder Rufus.

Chico hatte es nicht leicht im Leben, genau wie seine Besitzer. Die Frau im Rollstuhl, ihr Sohn ebenfalls krank, beide ungeeignet, einen solchen Hund zu halten. Der Hund, so sagten Nachbarn, kam selten raus. Fristete sein Dasein in einem Käfig im Zimmer, erledigte seine Geschäfte auf dem Balkon.

Im Fall Chico haben einfach alle versagt: seine Halter, die Stadt Hannover, die seit 2011 wusste, dass Chico als aggressiv galt – und nichts unternahm. Und Chico selbst: Als bester Freund des Menschen tötet man seine Peiniger nicht. Sondern erträgt die Qualen mit eingekniffenem Schwanz, dennoch stets um ein bisschen Liebe bettelnd, bis zum bitteren Ende.

Chico jedoch hat zugebissen. Er hat getötet, und seither tobt ein Kampf zwischen jenen, die ihn sofort abknallen wollen und jenen, die eine letzte Chance für ihn fordern. Sein eigener Kampf endete vorerst im Tierheim von Hannover. Erst sollte er eingeschläfert, dann vielleicht in eine Einrichtung vermittelt werden, die auf aggressive Hunde spezialisiert ist. Dort wäre die Allgemeinheit vor ihm sicher, und es wäre dennoch eine Entscheidung für das Leben. Klingt gut, eigentlich.

Der Kampf wird seither draußen weitergeführt, in Redaktionen, in Petitionen. „Chico muss sterben“, sagen die einen. „Lasst Chico leben“, die anderen. Auch einen nächtlichen Befreiungsversuch aus dem Tierheim hat es schon gegeben.

Nun zeichnet sich jedoch eine Lösung ab, keine schöne, aber ein Kompromiss: Chico hat vermutlich einen Tumor im Kiefer. Die Stadt Hannover will die Kosten für eine Computertomographie übernehmen. Wenn sich der Verdacht bestätigt, könnten beide Seiten zufrieden sein: Chico würde sterben. Aber nicht, weil aufgebrachte Menschen seinen Skalp fordern, um den Tod zweier Menschen zu sühnen, sondern um dem Tier weiteres Leid zu ersparen. Es wäre ein Tod aus Mitgefühl und keiner aus Rache. Und die Allgemeinheit ist sicher – bis zum nächsten Angriff eines Bronco, Odin, oder eben Chico.