Martin Reichert
Herbstzeitlos
: Das grazile Handwerker-Ballett

Foto: Jonas Maron

Langweile muss nicht beklagen, wer umzieht, denn alles ist ein Wirbel. Seit ungefähr vier Wochen nun schon führen Herr Finster und Herr Altmann eine Art Handwerker-Ballett auf: Kommt der eine nicht, kommt auch der andere nicht. Beide beziehen sich stets aufeinander, obwohl sie sich persönlich gar nicht kennen, aber der eine soll „die Türen gang- und schließbar machen“ und der andere selbige anstreichen, wenn auch nur von außen. Und mag nun auch der Rest der neuen Wohnung längst in einem Zustand sein, der es der der Lufthansa ermöglichen würde, hier ein Drehkreuz mindestens für den ost­euro­päi­schen Luftraum einzurichten – Herr Finster und Herr Altmann umkreisen einander, telefonisch und per Mail, und kommen nicht in die Pötte.

Handwerker sind auch sehr empfindsame Wesen. Als Journalist und Homosexueller hatte ich es in meinem Leben weiß Gott schon oft mit Diven zu tun, und was für welchen, aber Handwerker sind im Vergleich sinistre Stummfilmdiven. Ich hatte mal einen, das war noch in der alten Wohnung, der das Wohnzimmer spachteln sollte. Als nach einer Woche noch immer kein Handschlag getan war, organisierte ich einen Überraschungsbesuch – und fand den jungen Mann ermattet auf einem Sack Rotputz liegend. Depressionen!

Dann Piotr aus Polen. Er hatte so starkes Heimweh, dass man ihn quasi auf der Besucherritze hatte übernachten lassen müssen. Man musste für ihn kochen und ihn abends ausführen, mindestens. Einmal haben wir sogar eine YouTube-Disco für ihn organisiert, mit Wodka und „Geronimo’s Cadillac“, denn für das Berghain hatte er laut eigener Aussage „nicht die richtigen Klamotten mit“. Getanzt wurde also auf am Boden liegender Kartonage und beschallt aus den Einbaulautsprechern eines Medion-Klapprechners.

Dann gibt es noch den Haushandwerker. Das bedeutet, dass er im Haus wohnt und nicht weglaufen kann. Sogar seine Mutter wohnt im Haus, da ist man dann eigentlich auf der sicheren Seite. Denkt man: Als ich ihn gestern bat, ob er nicht doch vielleicht noch die Steckdosen anbringen könnte, verschwand er umgehend. Auch eine Razzia in den benachbarten Eckkneipen des Quartiers blieb erfolglos, auch, weil sich dort nunmehr eher Hipster als Handwerker herumtreiben.

Herr Altmann hat nun gestern wieder den Termin verschoben, auf morgens 7 Uhr, mitten in der Nacht – obwohl er sehr genau weiß, dass um diese Zeit Was-mit-Medien-und-bunte-Socken-Leute noch nicht wach sind. Und das immer in einem schnippischen Ton: „Ja, ja, letzte Woche hieß es ja wohl noch, dass eine andere Firma das machen soll, nicht?“ Und Herr Finster geht schon wieder nicht an sein Telefon, Mailbox nicht existent.

Die Fünftage-vorschau

Fr., 13. 4.

Peter Weissen-burger

Eier

Mo., 16. 4.

Mithu Sanyal

Mithulogie

Di., 17. 4.

Doris Akrap

So nicht

Mi., 18. 4.

Adrian Schulz

Jung und dumm

Do., 19. 4.

Jürn Kruse

Nach Geburt

Fr., 10. 4.

Franziska Seyboldt

Psycho

kolumne@taz.de

Wie es aussieht, handelt es sich beim dem 7-Uhr-Termin auch lediglich um eine Inaugenscheinnahme der potenziellen Baustelle. Aber gut, danach muss ich sowieso zum Flughafen. Schönefeld.