Blumen in der Asche

Eher trübe Stimmung dieser Tage in Italien. Als die Musik zur Compilation „Flowers From the Ashes: Contemporary Italian Electronic Music“ des Berliner Labels Stroboscopic Artefacts zusammengestellt wurde, waren die italienischen Parlamentswahlen zwar noch etwas hin und die Ergebnisse nicht in dieser Drastik vorherzusehen. Als Kommentar zum Ausgang ist diese Schau mit elektronischen Musikern aus Italien aber bestens geeignet.

Einige der Künstler waren schon vorher auf Stroboscopic Artefacts zu hören, darunter viele Wahlberliner. Dario Tronchin alias Chevel, der EBM-affine Alessandro Adriani und selbstredend Labelchef Lucy, bürgerlich Luca Mortellaro, der in seinen Produktionen – auch im aktuellen Beitrag „Starving the Mind“ – eine Gratwanderung zwischen Techno und offeneren Formen elektronischen Musizierens unternimmt, leben oder lebten einige Zeit hier in der Stadt. Desgleichen die neu hinzugekommen Landsleute Silvia Kastel, Andrea Belfi und Caterina Barbieri, die bisher weniger in Verbindung mit dem Clubgeschehen als mit einem freien Umgang mit Frequenzen in Erscheinung getreten sind, gern schattig und melancholisch im Charakter.

Damit wäre die gemeinsame Basis dieses (Teil-)Exil­italienertreffens benannt: Statt ekstatischer Clubhymnen oder eskapistischer Freiform-Sphärenflüge mischen sich in ihren Stücken Trauer, Unbehagen und das Kreisen um einen Verlust, ohne in Resignation zu verfallen. Kastel hält eine schwebende Balance zwischen dem Unheimlichen (bearbeitete Stimme) und dem Magischen (hallendes Xylofon), Barbieri spinnt filigran-minimalistische Fäden aus Synthesizerlinien. Einige, wie der Techno-Veteran Lory D, lassen bei aller Düsterkeit durchaus eine Art von Optimismus erkennen – und tanzen kann man zu seinem kryptisch betitelten Track „PRV-HH3-X“ allemal.

Die Blumen, die da aus der Asche wachsen, wirken wie ein Signal, dass man Unzufriedenheit in etwas anderes umlenken kann als falsch gesetzte Kreuze auf dem Wahlzettel. Von diesen Künstlern allein kommt zwar nicht gleich ein irgendwie „besseres“ Italien. Doch um diese Generation mit ihrer kreativen Energie muss man sich wenig Sorgen zu machen. Tim Caspar Boehme

Various Artists: „Flowers From the Ashes: Contemporary Italian Electronic Music“ (Stroboscopic Artefacts/Rough Trade)