Nils Schuhmacher
Hamburger Soundtrack
: Niemand ist eine Insel

Der Titel eines Buches von Johannes Mario Simmel lautet „Niemand ist eine Insel“. Das Verdienst für diesen Satz, von dem Dieter Hildebrandt schrieb, er habe „etwas sog­haft Faszinierendes, eine lyrische Melancholie“, muss er sich aber mit anderen teilen, die es mit ähnlichen Formulierungen versucht haben. Sie alle haben sich bei John Donne, einem englischen Dichter des frühen 17. Jahrhunderts, bedient. Der eröffnete sein Prosastück 'Devotions upon Emergent Occasions’ mit dem Satz „No Man is an Iland“. Eine Zeile mit Doppelbedeutung, die heute im Englischen nur phonetisch nachvollzogen werden kann. Denn „Iland“ ist sowohl „Insel“ als auch „Ich-Land“ und Donne ließ diesem Einstieg Grundsätzliches zur sozialen Verwickeltheit des Einzelnen in das Ganze folgen.

Dieser Zusammenhang ist in den Adaptionen weitgehend weggekürzt, was auch der Unmöglichkeit genauer Übersetzung ins Deutsche geschuldet ist. Michael Wildenhain, der belletristische Chronist der Autonomen, ging noch weiter. Er trieb deren radikalen Individualismus auf die Spitze, indem er dem Satz ein „trotzdem bleibt man allein“ hinzufügte. Barscher und niederschmetternder geht es kaum. Allerdings segelt er damit hart am Wind realer Erfahrungen, die oft davon geprägt sind, als Ich-Land mächtigen anderen ausgesetzt zu sein.

Von Frankie Stubbs (1. 4., 20 Uhr, Hafenklang) etwa kursiert ein Video, das ihn mit seiner Band Leatherface in den USA zeigt. Stubbs liefert sich einen Disput mit dem Mischer. Von dem hört man erst nur die Stimme, während man von der Band nur die Hilflosigkeit sieht, mit der sie gegen Licht und Sound ankämpft. Und dann stellt der Mischer der Band den Ton ab und lässt sie als einsame Insel zurück, umzingelt von einem Meer aus Unverständnis.

Stubbs hat seine musikalische Karriere, die auch ein Solo­standbein besaß, vor einigen Jahren beendet. Eigentlich. Vor einigen Monaten tauchte er für ein einziges Lied im Störtebeker auf. Jetzt werden es ein paar mehr, darunter sicher auch die schöne Coverversion von Nick Caves „Ship Song“, in dem es – selbstverständlich – um jenen Zusammenhang geht, den bereits Donne beleuchtet hat.