: Regierungskrise im Kosovo gefährdet Strategie der EU
Die Vertreter der Serben verlassen die Regierung und wollen einen Staat im Staat gründen – mit eigenem Parlament und eigener Regierung. Damit ist ein Kompromiss mit den Albanern kaum noch möglich
Hashim Thaci, Präsident des Kosovo
Von Erich Rathfelder, Split
Dass die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Dienstagabend außerplanmäßig nach Belgrad flog, um den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić zu treffen, ist außergewöhnlich. Der neueste Konflikt in Kosovo, der im Zusammenhang mit dem Besuch des Kosovo-Beauftragten der serbischen Regierung, Marko Đurić, am Montag entstanden war, hat in Brüssel offenbar große Besorgnisse ausgelöst. Droht die bisherige Strategie der EU in Kosovo zu scheitern?
Nach bisherigen Erkenntnissen der Kosovo-Regierung war Đurić am Montag über die grüne Grenze nach Kosovo eingereist, um auf einer Versammlung von Kosovo-Serben in Mitrovica zu sprechen. Daraufhin setzten die Kosovo-Behörden Polizeikräfte ein, um Đurić festzunehmen und ihn auszuweisen. Die Aktion wurde durch Vertreter der internationalen Eulex-Mission beobachtet.
Die serbische Seite zeigte sich erbittert über das Eingreifen der Kosovo-Polizei und betonte, Đurić sei legal eingereist und wie andere Mitarbeiter von der Polizei misshandelt worden. Als Reaktion auf die Polizeiaktion kündigten Vertreter der größten Partei der serbischen Minderheit „Serbische Liste“ noch am Montag an, ihre Minister aus der Kosovo-Regierung zurückzuziehen. Damit hätte die jetzige Regierung unter Ramush Haradinaj keine Mehrheit mehr im Kosovo-Parlament.
Eine Regierungskrise allein würde Brüssel nicht unbedingt nervös machen. Doch die Ankündigung der serbischen Seite, am 20. April die Gründung des „Verbandes serbischer Gemeinden“ in Angriff zu nehmen, hat ein anderes Gewicht. Zwar hatten die EU und die internationale Gemeinschaft schon vor der Unabhängigkeit 2008 darauf gedrängt, den serbischen Gemeinden in Kosovo mit sieben Prozent der Bevölkerung weitgehende Selbstbestimmungsrechte zuzugestehen. Als Bedingung für die diplomatische Anerkennung der Unabhängigkeit des Landes mussten die Albaner akzeptieren, dass über 20 Prozent der Landesfläche von serbischen Gemeinden kontrolliert werden würde.
Auch die serbische Forderung, dass diese Gemeinden sich zu einem Verband serbischer Gemeinden (Gemeindeverbund) zusammenschließen dürften, wurde von der EU unterstützt. Man drängte die albanischen Parteien dazu, diesen „Kompromiss“ zu akzeptieren, um Serbien andererseits dazu zu bewegen, Kosovo als unabhängigen Staat anzuerkennen.
Jetzt fordern die Serben aber die Etablierung eines solchen Gemeindeverbunds ohne albanische Zustimmung und damit die Gründung eines Staats im Staate mit eigenem Parlament und eigener Regierung. Nachdem die albanische Opposition unter Albin Kurti schon seit Jahren davor gewarnt hat, sich auf so einen Deal einzulassen, sind die Kosovo-Regierung und Präsident Hashim Thaci auf Konfrontationskurs umgeschwenkt. Am Jahrestag der Unabhängigkeit, dem 17. Februar, erklärte Präsident Hashim Thaci gegenüber der taz, „eine Republika Srpska wird es in Kosovo nicht geben.“ Wenn sich jetzt die Lage weiter zuspitzt, wird ein Kompromiss zwischen beiden Seiten kaum mehr möglich sein: Die EU-Strategie wäre gescheitert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen