piwik no script img

Kolumne Nach GeburtBlack Hawk Down

Helikopter-Eltern nerven. Aber ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, sie an den Pranger zu stellen. Ja, du bist gemeint, „Spiegel Online“.

Einen Absturz sollte man niemandem wünschen, auch nicht nervigen Eltern Foto: dpa

E ltern nerven. Ich weiß das. Erstens, weil ich selbst manchmal nerve. Zweitens, weil mein Umfeld nahezu ausschließlich aus LehrerInnen besteht, die ja an vorderster Elternfront arbeiten. Meine Eltern, mein Bruder, meine Patentante, mein bester Freund aus Kindheitstagen – alles LehrerInnen.

Es gab Anrufe bei uns zu Hause, da kam ich gar nicht dazu zu sagen, dass ich nicht DER Herr Kruse sei, da hatte mir die besorgte Mutter schon die ganze Schulgeschichte ihres Kindes erzählt, um zu erklären, warum ihr Kind die Klassenarbeit auf gar keinen Fall mitschreiben könne. „Sie wollen bestimmt meinen Vater sprechen. Der ist gerade auf Klo. Soll er Sie zurückrufen oder soll ich ihm ausrichten, was Sie mir erzählt haben?“

Eltern sind die größte Belastung im Schulalltag. So kommt es mir als Betrachter zumindest vor. Und es ist bestimmt nicht besser geworden. Stichwort: Helikopter-Eltern. Bei dem Wort hört man die Bedrohung schon über sich kreisen. Also: Ich habe viel Verständnis für all den Frust, den alle möglichen Leute, die sich der professionellen Kindererziehung und -bildung verschrieben haben, mit Eltern haben.

Aber: Ich habe überhaupt kein Verständnis für diese Aufrufe, Helikopter-Eltern zu denunzieren. Ja, du bist gemeint, Spiegel Online. Unter nahezu jedem Artikel zum Thema wird man aufgefordert:

Die Helikopter tun mir leid, weil ich glaube, dass sie nicht anders können. Sie wollen anstelle des Kindes die Kämpfe auf dem Schulhof lösen

„Sind Sie Hebamme, Lehrer, Erzieher, Kinderarzt, Studienberater, Professor, Anwalt, Sporttrainer – oder Nachbar/Freund/Bekannter? Haben Eltern schon mal absurde Forderungen an Sie gestellt oder versucht, Sie auszuhorchen, zu beeinflussen oder einzuspannen – zum vermeintlichen Wohle der eigenen Kinder? Schicken Sie uns hier Ihre absurden Anekdoten über Helikopter-Eltern und/oder anonymisierte (WhatsApp)-Dialoge.“

Mitleid mit Helikoptern

Kann man machen, die Chatprotokolle aus der Elterngruppe weiterleiten. Nur: Wie viel besser ist man dann noch als die, über die man sich doch moralisch erhebt? Klar, die Spiegel-Online-AutorInnen können mit den Anekdoten viele Artikel füllen. Und dann lesen wir die und können uns alle selbst vergewissern, dass wir ja viel tollere Eltern seien, weil wir nicht nachts um 4 Uhr den Arzt hochschrecken, nur weil das Kind mal hustet. Herzlichen Glückwunsch!

Ich bekomme bei diesen Aufrufen immer Mitleid mit den Helikoptern, weil ich glaube, dass sie nicht anders können. Sie wollen anstelle des Kindes die Kämpfe auf dem Schulhof lösen. Weil sie es selbst nicht aushalten, dass ihr Kind etwas aushalten muss.

Und diesen Eltern fehlt die Impulskontrolle, diese Angst- und Beschützergefühle, die alle Eltern haben, für sich zu behalten. Deswegen schaden sie ihren Kindern, denen sie Erfahrungen nehmen: Etwa, zu erkennen, dass LehrerInnen auch mal ungerecht sind – und dass man trotzdem einen Weg finden muss, damit zurechtzukommen.

Damit sind Helikopter-Eltern und deren Kinder schon bestraft genug. Ganz ohne Häme und Pranger. Und Spiegel Online.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Mitleid ist auch eine Form, sich über andere zu erheben...

    ;)

  • Ich bekenne, wir sind Eltern, ja und wir Helikoptern sogar gelegentlich. Wir sind also hin und wieder die, über die sich alle das Maul zerreißen. Alle anderen Eltern, JournalistInnen, PolitikerInnen, WirtschaftsvertreterInnen, PädagogInnen, WissenschaftlerInnen, UnwasweissichnichtnochallesfürInnen. Da wir aber die alleinige Verantwortung für die Aufzucht unseres Geleges tragen und es alle außer uns ja eh cooler, lockerer, geschmeidiger, kompetenter und geschickter hinkriegen und das auch noch in allen Medien lauthals propagieren müssen, sei allen Besserwissenden unsere, in dieser Sache über Jahre gereifte, historisch und gesellschaftlich unwiderlegbare These des Götzen von Berlichingen ans Herz gelegt: „Sag er ihm, er solle mich hinten lecken“! Das ist hart, aber es befreit und so ein kurzes Gewitter reinigt die Luft wieder für wieder Versachlichung der Diskussion.

    • @Weidle Stefan:

      Sie sind da natürlich janz weit vorne

       

      So von hintern besehen.

      Aber neu & richtig taff sanns aach nich.

       

      Kurz nach der Wende im - thüringer Wald.

      Nicht nur Rostbratwürste - Nein auch etwas in die

      Jahre gekommene Schulen. Rennsteig. Kalt.

      Genauer in Brotterode - Da schraubte gerade Bosch(?)

      Mittels Staatsknete vom Dicken Bimbes via Treuhand.

       

      Winterferien - vom Inselsberg übern Fuchsbau -

      Right in the dawn - die Latten klapperten schoorn!;)

      &

      Däh! Ein graues verwittert Schild kurz hinterm Tor.

      Seltsam verlassener Hof - kams mir da vor.

      Aber da. Drauf ne nur schwache Silhouette.

      Nu. Jede Wette & Däh! Typisch ~> "Mutter mit Kind"

      Der Rest "zu lesen is schonn schwer - i find!"

      Doch - Ja genau.Na - Si´cherdat. Da stand - "Bis hierher"

      Jedoch. Konnte mich aber noch so recken!

      Ha noi. Von hinten war es nicht zu Lecken.

       

      No. So blieb zum Glück dess - G´witter aus.

      Trockn Hauptes klappert ich - genn Nachhaus.

      &

      Machte mich des Weges - Zur Aafzucht mei Geheges!;)

      • @Lowandorder:

        ;)) - Ei. Howgh & Wohl gesprochen!

        &

        Unkas von denn Delaware & dem Klan der Schildkröte! - Bi lütten Stammesältest - Legt de Peip - mal anne Seit! ~>

        &

        Blättert leis summend im Lederstrumpf van Ol J. F. Cooper - dee mit denn gau - Ziegenbiß!;)) & Däh! ~>

        Jo'n Zorn - el Pinto & Chingachgook!

         

        Die große Schlange ~> (die 50er warn noch weit!;) - Kam leise pfeifend in the dawn ~> &! Nu - die alte Squaw am Tent - doch leicht in der Sorge Zorn daständ!

        & ~>

        Sie? ~> "Howgh!" - Beschied dat Kin' leichthin ~>

        "Wieso? Mouder! - Sah ich doch aus Peißnitz Wiesen & der Saale - die Nebel steigen allzumale - Da macht ich mich - Den Knittel fest - doch unerschrocken - Gut - a weng pfeifend-;) - heimwärts auf die Socken!"

        &

        Da glätteten sich doch die Falten - No! Beider Alten! & Es blieb niemand ganz verborgen - Downunder ~> Stolzer Häuptling Woody - isser 'worden!;)

        Fin

        • @Lowandorder:

          Bitte verwenden Sie für weibliche Native Americans einen anderen Begriff als den in der gängigen Literatur. Danke

      • @Lowandorder:

        Woll, da hamse recht.

        Ich bin natürlich auch selber schuld, lies ich mich doch, Opfer einer ostersonntäglichen Langeweile, durch einen unschuldigen Artikel in der Taz dazu verleiten, zu einem Thema, dass schon lange austherapiert ist und zu dem es nichts essentielles mehr zu sagen gibt, unbedingt auch noch kommentieren zu müssen.

        Ich will es in der Sache lieber wieder mit dem nativen Nordamerikaner halten, dabei Zorn als schlechten Ratgeber anzuerkennen und von toten Pferden ab-, oder besser noch gar nicht erst mehr aufzusteigen.

        Fin!

  • Vielleicht geht es nicht darum, Eltern und Kinder zu strafen, sondern zu einer Selbsteinsicht zu bringen, dass sie ihren Kindern und sich selbst schaden.

     

    Wäre schön, wenn es Lehrer geben würde, die in solchen Fällen an eine Erziehungsberatungsstelle verweisen würden.

    • @Age Krüger:

      Keine Ahnung wo meine Antwort geblieben ist.

       

      Schön wäre es, wenn es Lehrer geben würde, denen die Eltern auch nal was recht nachen können.

       

      Kümmern sie sich um ihre Kinder helikoptern sie, kümmern sie sich nicht vernachlässigen sie die Kinder.

       

      Ich habe es sogar geschafft beides gleichzeitig zu tun, laut Aussage des selben Lehrers.

       

      Also Eltern macht einfach so weiter, wie ihr es für richtig haltet, es ist garantiert falsch, weil es heutzutage angeblich nur noch beide Extremw gibt, das richtige Mittelding ist wohl entweder im einen oder im anderen aufgegangen, jedenfalls scheint es das nicht mehr zu geben

    • @Age Krüger:

      Wäre schön, wenn es Lehrer gäbe, die Fehler auch mal bei sich suchen und nicht bei den also schlechten Eltern.

       

      Wir haben selbst Berichte ans Jugendamt gelesen, in denen wir ungelogen in zwei aufeinander folgenden Sätzen, die Kinder erst vernachlässigen und dann überbehüten, sprich helikoptern

       

      Also Erfahrung daraus, Eltern macht was ihr für richtig haltet, es ist sowieso falsch.

       

      Heutzutage gibt es kein Mittelding mehr, entweder Vernachlässigung oder helikoptern.

  • Die größte Belastung im Schul-Alltag ist Reichskanzler Otto von Bismarck, der flächendeckenden Frontalunterricht einführte, wie er bis heute Kinder und Jugendliche traumatisiert. Irgendwann kommt für alle Eltern der Punkt, an dem sie sich fragen sollten, ob sie sich lieber mit dem System oder ihren Kindern solidarisieren. Sicher ist man als Teil des Systems mündigen Eltern gegenüber voreingenommen, doch sagt das doch mehr über die Angestellten der pädagogischen Einrichtungen als irgend jemanden sonst.

    • @KnorkeM:

      Nun sind besagte Eltern meist wenig erpicht, das System zu hinterfragen oder gar zu ändern, sondern verlangen doch vielmehr Gerechtigkeit aus dem eigenen Wahrnehmung und Wahrheit heraus. Auch nicht Gerechtigkeit für die Gesellschaft, alle und jeden, sondern für das eigene Kind. Daher ist es wohl eher eine Voreingenommenheit der Pädagogen gegenüber Egoismus der Helikoptereltern. Und Egoismus macht unser System zu dem was es ist