Mehr Geld für Türkei trotz Krieg

EU-Kommission will Ankara weitere 3 Milliarden Euro für Flüchtlinge und Grenzabschottung überweisen

Aus Brüssel Eric Bonse

Ungeachtet der türkischen Militäroffensive in Syrien will die EU-Kommission weitere 3 Mil­liar­den Euro nach Ankara überweisen. Mit dem Geld sollen Flüchtlinge aus dem umkämpften Bürgerkriegsland Syrien versorgt werden; zudem soll die Türkei auch künftig die Grenzen zu Europa abschotten.

Der 2016 geschlossene Flüchtlingspakt habe sich bewährt, sagte der für Migration und Asyl zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos am Mittwoch in Brüssel. Die Zahl der „irregulären“ Einreisen in die EU sei deutlich gesunken. Auf den türkischen Einmarsch in Syrien ging Avramopoulos mit keinem Wort ein.

Am Dienstag hatte die türkische Armee einen Belagerungsring um die syrische Stadt ­Afrin geschlossen. Mehrere Hunderttausend Zivilisten sind eingeschlossen. Hilfsorgani­sationen warnen, dass erneut viele Menschen zur Flucht nach Europa gezwungen sein könnten.

Die Kommission spricht jedoch nur von den 1,2 Millionen Flüchtlingen in der Türkei, denen die neue Hilfe zugute kommen soll. Zudem lobt sie Präsident Recep Tayyip Erdoğan, weil er insgesamt 3,5 Millionen Menschen aufgenommen habe. Am 26. März ist sogar ein Sondergipfel mit Erdoğan in Bulgarien geplant, um die Kooperation weiter auszubauen.

Bisher war dies wegen der massiven Repressionen und der Verhaftungswelle in der Türkei undenkbar. Doch seit der Freilassung von ­Deniz Yücel Mitte Februar hofft man auch in Brüssel auf bessere Beziehungen.

Die Finanzierung könnte sich allerdings als Stolperstein erweisen: Von den 3 Milliarden Euro soll eine Milliarde aus dem laufenden EU-Budget kommen, sagte Avramopoulos. Den Rest sollen die EU-Staaten bezahlen. Frankreich und Deutschland hatten sich bisher dafür eingesetzt, die gesamte Summe über den EU-Haushalt zu finanzieren.

Ein weiterer Dämpfer kommt vom Europäischen Rechnungshof. Dort werden Zweifel an der ordnungsgemäßen Verwendung von EU-Geldern in der Türkei laut. Wesentliche Ziele der sogenannten Vorbeitrittshilfen seien verfehlt worden, so die Rechnungsprüfer. Als Beispiele nannten sie Defizite bei der Unabhängigkeit der Justiz und der Pressefreiheit, Korruption und organisiertes Verbrechen.

Die EU führt seit 2005 Beitrittsgespräche mit der Türkei. Deswegen erhält das Land sogenannte Vorbeitrittshilfen, die eine Anpassung an EU-Standards erleichtern sollen. Dabei wurden Ankara nach Angaben der Rechnungsprüfer für die Zeit von 2007 bis 2020 über 9 Mil­liar­den Euro in Aussicht gestellt.

Die nun vorgeschlagenen Flüchtlingshilfen kommen noch hinzu. Sie gehen auf eine Initiative von Kanzlerin Angela Merkel zurück. Seit 2016 waren bereits einmal 3 Milliarden Euro gewährt worden.