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das portraitOhne Partei und ohne Mehrheit: Martín Vizcarra ist Perus neuer Präsident

Foto: ap

Martín Vizcarra ist Perus neuer Präsident. Gegenüber seinem 79–jährigen Vorgänger ist er geradezu ein Youngster. Am Mittwoch feierte er seinen 55. Geburtstag. Am Freitag löste er Pedro Pablo Kuczynski ab, dessen Rücktritt die Kongressabgeordneten zuvor angenommen hatten.

Ausschlaggebend für Vizcarra war nicht, dass er, neben der ehemaligen Premierministerin Mercedes Aráoz, einer der beiden VizepräsidentInnen war, sondern dass er zuletzt als Botschafter in Kanada und deshalb weit weg vom Epizentrum des Bebens war, das der Schmiergeldskandal des brasilianischen Baukonzerns Odebrecht in Peru ausgelöst hat.

Im Odebrechtskandal ermittelt die Justiz jetzt gegen drei ehemalige Präsidenten: Kuczynski (2016 bis 2018) darf seit Samstag Peru nicht verlassen, Ollanta Humala (2011 bis 2016) sitzt seit Juli 2017 in Untersuchungshaft, und Alejandro Toledo (2001 bis 2006) soll von den USA ausgeliefert werden. Kein Wunder, dass das Vertrauen der PeruanerInnen in die politische Klasse des Landes gegen null tendiert. So wurde Martín Vizcarra rasch aus Kanada eingeflogen.

Der aus dem südlichen Bezirk Moquegua stammende Sohn einer sozialdemokratischen Mittelklassefamilie hat bisher eine erstaunliche politische Karriere hingelegt. Fern vom politischen Establishment der Hauptstadt Lima, folgte er in der von Bergbau und Landwirtschaft geprägten Region den Fußstapfen seines Vaters. Der war lange Bürgermeister der gleichnamigen Bezirkshauptstadt.

Der Sohn wurde 2008 als Anführer eines erfolgreichen Kampfs für mehr Steuerabgaben für eine Bergbaugesellschaft bekannt, 2010 wurde er Bezirkspräsident. Seine solide Amtsführung und seien allgemeine Beliebtheit trugen ihm nationale Aufmerksamkeit ein.

Zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl 2016 machte ihn der eigentlich abgeschlagene Kandidat Pedro Pablo Kuczynski zu seinem Kampagnenchef. Kuczynski gewann die Stichwahl knapp. Als Dankeschön machte er Vizcarra zum Vizepräsidenten und Minister für Transport und Kommunikation. Doch schon im Mai 2017 musste Vizcarra den Ministerposten räumen. Zum Verhängnis wurden ihm einige umstrittene Bauverträge für ein Flughafenprojekt in der Nähe der Andenstadt Cuzco.

Als Kuczynski im September 2017 dann auch seinen Ministerpräsident austauschen musste, machte sich Vizcarra Hoffnung auf den Posten. Doch der Alte entschied sich für Mercedes Aráoz. Vizcarra ging als Botschafter nach Kanada, blieb aber zugleich Vizepräsident.

In seiner ersten Rede als Präsident versprach Vizcarra einen Neuanfang und verstärkten Kampf gegen Korruption. Wie korrupt es gerade in der Baubranche zugeht, dürfte ihm als gelernten Bauingenieur bestens bekannt sein. Dennoch, Vizcarra verfügt weder über eine eigene Partei noch über eine parlamentarische Mehrheit. Ob er mehr erreichen kann, als die Amtsgeschäfte bis Ende der Legislaturperiode 2021 zu verwalten, ist fraglich.

Jürgen Vogt, Buenos Aires

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