Wenn die Baglama singt

An Musikschulen können Kinder und Jugendliche das Spiel der anatolischen Langhalslaute lernen. Mit doppeltem Lerneffekt: Einerseits erfahren sie Unterschiede zwischen den Kulturen, andererseits wird das Interesse für alle Kunstsparten geweckt

VON PETER ORTMANN

,,Kultur verbindet.“ Unter diesem Motto arbeiten 21 große Städte in Nordrhein-Westfalen und der Landschaftsverband Rheinland in einer deutschlandweit einzigartigen Initiative zusammen. Im vergangenen Jahr hat das NRW-Kultursekretariat in Wuppertal – das die theatertragenden Städte im Land vertritt – mit dem so genannten ,,3. Ohr“ eine neue Initiative zur gezielten Förderung von ethnischer Musik und Weltmusik gestartet. Ziel ist es, vermittels einer stärkeren institutionellen Verankerung im NRW-Musikleben den interkulturellen Austausch anzuregen und zu entwickeln.

Als Transportmittel hat man sich die anatolische Laute, die Baglama, ausgesucht. „Dieses Instrument wird in den meisten türkischen Haushalten gespielt“, sagt Sekretariatsdirektor Christian Esch. Durch das Erlernen und Spielen des Instruments sollen die Schüler die kulturelle Grundlage, auf der sie stehen, besser kennen lernen. Aber auch die Differenzen zwischen den Kulturen sollen sichtbar gemacht werden. „Im Interesse eines echten Dialogs“, so Esch. Eine Begegnung findet in der Alltagsrealität noch kaum statt, aktiv gesucht wird die Annäherung immer noch viel zu selten. Unter dem Motto ,,Baglama für alle!“ wird in Gruppen von fünf bis maximal zehn Schülern unterrichtet, jeweils 45 Minuten pro Stunde, Solo- und Ensemblespiel gleichermaßen. Ein wichtiges Kriterium ist dabei die Zweisprachigkeit in der Begegnung. Und, wer keine Baglama hat, kann trotzdem mitspielen: Das Kultursekretariat ist bei der Beschaffung von Leihinstrumenten behilflich.

Das Projekt ist bereits gestartet. In Duisburg werden in den kommenden Wochen an drei unterschiedlichen Standorten insgesamt mehr als 60 Schülerinnen und Schüler aller Altersklassen und Nationalitäten erwartet. Allerdings hat die Niederrheinische Kunst- und Musikschule Anfang 2005 schon wertvolle Erfahrungen mit der Baglama als Ausrichter eines ersten Regionalwettbewerbs von ,,Jugend musiziert“ gemacht, in enger Kooperation mit hochrangigen Vertretern der türkischen Musikszene. Im Januar 2006 geht es in die zweite Runde. Bis dahin sollen auch die ersten Schüler aus den Kursen auf der Bühne stehen.

Das ausgerechnet ein türkisches Instrument ausgewählt wurde, ist kein Zufall. Mit mehr als 800.000 Menschen stellen die Türken die größte Migrantengruppe in NRW. „Wir sind schon lange eine Einwanderungsgesellschaft“, so Esch. Demografischer Wandel und Schwund der Erwerbsarbeit seien längst keine Worthülsen mehr. Die zentralen Fragen im unumkehrbaren Umbruch der Gesellschaft betreffen alle Bürger in diesem Land, unabhängig von Herkunft und Nationalität, Alter und Bildungsgrad. Auf Kultur als Verbindungs-Medium kann nicht verzichtet werden. Sie schärft den Blick und dann kann es zum viel beschworenen Dialog auf Augenhöhe kommen. So wird eine von gegenseitigem Respekt und Toleranz geprägte Verbindung paralleler Gesellschaften überhaupt möglich.