Jan-Paul Koopmann
Popmusik und Eigensinn
: Es hat sich ausgezaubert

Hokuspokus heititei, Therion sind in der Stadt! Und sparte man sich die Phrase, dass es die ja, „Ach!“, immer noch gibt, wäre die Geschichte damit auch schon wieder vorbei. Nur kann man sich das nicht so richtig sparen, weil dieses Früher der Band so verrückt – und das, was daraus wurde –, so tragisch ist.

Metal mit Streichorchester, das war ja mal was: dieser doppelte Bombast aus so unterschiedlichen Hörkontexten. Als hätte sich wer in den Kopf gesetzt, diesen von Punk und Hardcore so gehassten, artifiziellen Popanz des Metal bis ins Absurde zu übertreiben, treffsicher kombiniert mit dem in Texten und Album-Covern üppig entwickelten Okkultismus. Titel: „The Rise of Sodom and Gomorrah“, dann wird es hart biblisch und die Musik mach so mit Wumms: „didi didi düdüdidididi / düdi düdi düü“. Auf dem Konzert gab’s Gänsehaut und zu Hause war’s ein stimmiger Soundtrack für schwermütige philosophische Spielereien, die sich am letzten Rest des noch nicht ver(heil)wässerten Hippie-Okkultimus berauschten: die Chaosmagie mit ihren beliebigen, aber mindestens ästhetisch kohärenten Systemen aus Kabbala, Gnosis, Satanismus, St. Hildegard und Groschenromanen von Lovecraft bis Moorcock. Klar hat kaum ein Metaller wirklich mal herumgezaubert (und kein Chaosmagier Metal gehört), aber der Referenzraum stand trotzdem über alle sieben Pforten weit offen.

Lustig war das, bis der Symphonic Metal seinen peinlichen Niedergang (Nightwish) antrat und mit den Pionieren Therion vorneweg in den Karneval marschierte. Heute trägt man die Haare kurz, hat aber einen Zylinder auf – der sich nach unten fortsetzt in ein Gothic-Novel-Kostüm und … ach, egal. Es kribbelt jedenfalls nichts mehr, alles ist reines Selbstzitat – man ist längst ausgestiegen aus diesem Spiel um irrationale (Un-) Sinnstiftung.

„Geprägt von Slayer und Wagner“, heißt es immer mal wieder. Und die Phrase verrät den Spaß an der Sache, der es gerade nicht um einen übergeordneten Sinn geht, sondern um bewusst ungezielte Emotionalität, die Freude am Augenblick und das Denken in vielleicht spinnerten, aber doch erfreulich ergebnisoffenen Zusammenhängen. Klar, der Verlust ist verschmerzbar, aber ein bisschen schade ist es eben doch, dass sich heute kein Pubertierender mehr gelangweilt Pentagramm-Variationen ins Schulheft kritzelt und dabei die unsterbliche Botschaft Therions vor sich hin zischelt: „Didi didi düdüdidididi / düdi düdi düü“.

Therion spielen am Donnerstag, 29. 3., um 19 Uhr im Tivoli