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Kambodscha marschiert mit großen Schritten in die Diktatur

Premierminister Hun Sen droht mittlerweile unverhohlen jedem mit Gewalt, der seine Macht in Frage stellt. Vor Ort herrscht Grabesruhe, freie Rede traut sich niemand mehr. Aus dem Ausland kommt zwar Kritik, doch der Einfluss westlicher Länder auf Kambodscha schwindet

Eingesperrt: Der Freiheitspark im Herzen Phnom Penhs erleidet heute dasselbe Schicksal wie der inhaftierte Oppositionsführer Kem Sokha Foto: Michael Lenz

Aus Phnom Penh Michael Lenz

Der von neuen, glitzernden Bürotürmen umstandene Frei­heitspark im Herzen ­Phnom Penhs erleidet das gleiche Schicksal wie Oppositionsführer Kem Sokha: Er ist eingesperrt.

Den Freedom Park erklärte Premierminister Hun Sen 2010 zum einzigen Ort in der kambodschanischen Hauptstadt, an dem Demonstrationen erlaubt waren. Es war jenseits des Vorstellungsvermögens des seit 33 Jahren mit wenig zimperlichen Methoden herrschenden Hun Sen, dass die Kambodschaner so frei sein könnten, gegen sein Regime zu demonstrieren.

Kambodschas Dauer-Premier und seine Wahlen

Königreich Kambodscha Das 14-Millionen-Einwohner-Land ist eine konstitutionelle Monarchie mit König Norodom Sihamoni (64) an der Spitze. Dem König kommen nach der Verfassung aber keine Machtbefugnisse zu.

Langzeitherrscher Seit dem Sturz der Roten Khmer 1979 mit Hilfe Vietnams wird das südostasiatische Land von der straff organisierten Kambodschanischen Volkspartei (CCP) beherrscht. Der 65-jährige Hun Sen ist bereits seit Mitte der 1980er Jahre als Ministerpräsident an der Macht – insgesamt seit 33 Jahren.

Parlamentswahlen Für den Juli sind Wahlen vorgesehen. Doch die wichtigste Oppositionspartei ist verboten: Die Nationale Rettungspartei (CNRP) war im November vom Obersten Gerichtshof des Landes aufgelöst worden. Sie hatte als einziger ernster Konkurrent für Ministerpräsident Hun Sen gegolten, der mit harter Hand gegen Gegner vorgeht. (dpa)

Das aber geschah 2013 nach der Parlamentswahl, die Hun Sens Kambodschanische Volkspartei (CCP) nur knapp gewonnen hatte. Die unterlegene „Partei zur nationalen Rettung Kambodschas“ (CNRP) mobilisierte Großdemonstrationen rund um den Freedom Park gegen Wahlbetrug und für freie Wahlen. 2016 war Schluss mit der Demofreiheit. Arbeiter errichteten rund um den 1,2 Hektar großen Freiheitspark eine gut drei Meter hohe, mit Blech verkleidete Bretterwand.

Die Inhaftierung des Freiheitsparks war die Ouvertüre zur vollständigen Unterdrückung jeglicher Regimekritik. Kem Ley, einer der populärsten Kritiker von Hun Sen, wurde am 10. Juli 2016 am helllichten Tag in Phnom Penh erschossen. Ein Jahr später wurde die CNRP verboten, ihr Chef Kem Sokha verhaftet, Hunderte Oppositionspolitiker flohen ins Ausland, die investigative Tageszeitung Cambodia Daily musste ihr Erscheinen einstellen, kritische Radiosender wurden abgeschaltet. Hun Sen droht unverhohlen mit Gewalt gegen jeden, selbst Kambodschanern im Ausland, der seine Macht in Frage stellt.

Erst die Beinahewahlniederlage seiner CPP bei der Wahl 2013, dann der Schock des guten Abschneidens der Opposition bei der Kommunalwahl 2017 – spätestens da sah Hun Sen schwarz für die Parlamentswahl im Juli dieses Jahres und legte zum antidemokratischen Amoklauf an. Schon 2015 hatte er ein harsches Gesetz zur Kontrolle der Nichtregierungsorganisationen (NGO) geschaffen, Anfang dieses Jahres kam ein nie dagewesenes Majestätsbeleidigungsgesetz hinzu.

„Alle NGOs stehen unter Generalverdacht“

Saroeun Soeung, NGO-Dachverband CCC

Offiziell hat sich der König von Kambodscha aus der Politik herauszuhalten. Auffällig ist aber, dass sich König Sihamoni vor der Unterzeichnung kontroverser Gesetze wie dessen über Majestätsbeleidigung gerne zu dringenden Arztbesuchen nach China verabschiedet und seinem Stellvertreter die Unterschrift überlässt.

In Kambodscha herrscht nun Grabesruhe. Naly Pilorge, Direktorin der Menschenrechtsorganisation Licadho, erklärt in einer WhatsApp-Nachricht: „Von meinen Kollegen in Kambodscha will sich keiner öffentlich äußern.“ Angeblich existiert in Kambodscha eine schwarze Listen von Regimegegnern. „Das Gerücht alleine reicht, um Angst zu erzeugen“, weiß Ali Al-Nasani, Vertreter der Heinrich Böll Stiftung in Phnom Penh.

„Wir können nicht fordern: lasst die Opposition wieder zu“, sagt Saroeun Soeung, Leiter des „CCC – Cooperating Committee for Cambodia“. Das CCC ist ein Dachverband von NGOs in Kambodscha, der unter anderen von dem deutschen Hilfswerk „Brot für die Welt“ gefördert wird. „Alle NGOs, egal ob sie für Menschenrechte einstehen oder humanitäre und soziale Arbeit leisten, stehen unter dem Generalverdacht, Unterstützer der CNRP zu sein“, klagt Saroeun Soeung. Auf­geben will das CCC aber trotzdem nicht. „Wir können den Leuten immer noch sagen: Ihr habt das Recht zu wählen, wen ihr wollt.“

Derselbe Park im Jahr 2013: Oppositionsführer Sam Rainsy und Kem Sokha bei Protesten nach den Parlamentswahlen, als Tausende im Freedom Park demonstrierten Foto: Samrang Pring/reuters

Mit grotesken Methoden hält Hun Sen eine pseudodemokratische Fassade aufrecht. Nach dem Verbot der oppositionellen CRNP wurden deren Parlamentssitze generös an Miniparteien verteilt, die bei der Parlamentswahl 2013 keine Schnitte gemacht hatten. Die fast 500 Kommunen, die von der CNRP seit der Kommunalwahl 2017 regiert wurden, aber gingen komplett an die Regierungspartei CPP. Sicher ist sicher. Wer die Kommunalverwaltungen kontrolliert, hat die Macht über das Volk und die Wahlurnen.

Kritik kommt aus dem westlichen Ausland. Die EU hat die finanzielle Unterstützung der nach dem Verbot der Opposition eh obsolet gewordenen nationalen Wahlkommission eingestellt, und die EU-Außenminister drohen mit Sanktionen. Die USA fahren ihre Hilfe zurück. Der Einfluss westlicher Staaten auf Kambodscha aber schwindet, seit China mit milliardenschwerer Rückendeckung Hun Sens langen Marsch in die Diktatur absichert.

Mit grotesken Methoden hält Hun Sen eine pseudo-demokratische Fassade aufrecht

Auch die jungen Kambodschaner trauen sich nicht mehr, den Mund aufzumachen. „Politkoffee ist stumm geworden“, sagt Sophana, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung sehen will, traurig. „Politkoffee“ war ein Debattierzirkel, in dem junge, intellektuelle Kambodschaner aller parteipolitischen Richtungen über ihre Vorstellungen einer Gesellschaft ohne Korruption, aber mit unabhängigen Gerichten und garantierten Bürgerrechten sprachen. „Wir wollten eine neue Diskussionskultur schaffen, die nicht mehr von dem Feind-Freund-Denken aus den Kriegszeiten beherrscht wird“, erklärt der 21-jährige Politikstudent in einem Café in Phnom Penh.

Das große Schweigen hat auch einfache Kambodschaner befallen, wie Sophana bei Interviews mit Markthändlern in Phnom Penh für eine Studienarbeit über „informelle Wirtschaft“ erlebte. „Elf der zwölf Fragen haben alle offen beantwortet“, sagt Sophana. „Die Frage aber 'Was erwartet ihr von der Regierung?’ beantwortete keiner.“

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