BERLINS EHEMALS BESTER RAPPER?
: Reporter hauen

Es gab eine Zeit, da galt Sido, der unter seinem bürgerlichen Namen Paul Würdig in den Problemvierteln Prenzlauer Berg und Märkisches Viertel aufwuchs, als humorvollste Rettung des deutschen HipHop. Und wirklich, Misogynie und Homophobie hin oder her: Die grotesken Geschichten, die er auf seinem ersten Album „Maske“ aus dem Jahr 2004 zu erzählen hatte, Geschichten über die real existierende Wohnsilo-Jugend: Diese Geschichten waren so ziemlich das Authentischste, was Rap hierzulande je hervorgebracht hat.

Doch diese Zeiten sind lang vorbei. Sido hat seine Maske abgenommen, er ist putzig geworden. Er hat sich als Moderator versucht, als Gast in Talkshows, als Schauspieler und Sprecher der Bundeszentrale für Politische Bildung, die versuchte, mit ihm für mehr Wahlbeteiligung unter Jugendlichen zu werben. All dies brachte die Wahrnehmung seiner Person zum Kippen – er gilt nicht mehr als wilder Ghettosohn, sondern als Produzent von Platten, die vor allem von gelangweilten Bürgersöhnchen konsumiert werden. Selbst viele seiner Fans der ersten Stunde verachten ihn heute als schmalbrüstigen Vertreter des Mainstreams. Sido ist in eine Falle geraten – in jene Falle, in die man halt gerät, wenn man sein ganzes Geschäftsmodell darauf ausrichtet, gefährlich zu wirken.

Zeit, wird sich Sido gedacht haben, das Ruder herumzureißen. Und so kam es, dass er am Freitag hinter den Kulissen der österreichischen Liveshow „Die Große Chance“ einen Reporter verkloppte. Der ORF feuerte ihn. Und doch darf mit gutem Grund bezweifelt werden, dass es von Sido je wieder ein gutes Album geben wird. SM Foto: dapd