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Jenseits der Angstbilder

Mit seinen „Senegal Impressions“ gibt der Bremer Fotograf Norbert Schmacke Einblicke in eine komplexe Welt globalisierter Traditionen

Tradition und Moderne: Straßenbild im islamisch geprägten Senegal Foto: Norbert Schmacke

Von Jan-Paul Koopmann

Senegal ist „ein Land zwischen Tradition und Moderne“, sagt Norbert Schmacke und der Satz ist ihm sichtlich unangenehm – weil das doch eine durchgenudelte Phrase sei. Dass sie aber wahr ist, und dass man irgendwie auch nicht drumherum kommt um den blöden Satz, belegen Schmackes Fotografien nachdrücklich. Und diese Spannung zieht sich durch sämtliche Bilder der Ausstellung „Senegal Impressions“: von der Kleidung der abgebildeten Menschen über ihre Verkehrsmittel bis zur Architektur des westafrikanischen Landes.

Zweimal ist Schmacke mit den Naturfreunden in den Senegal gereist. Er sei schon auch ein Tourist gewesen, sagt er, davon wolle er sich nicht distanzieren. Aber er hat zweifellos doch tiefere Einblicke gewonnen als die meist französischen Pauschalurlauber in ihren Klubs an den Stränden. Die Naturfreunde kooperieren im Senegal mit verschiedenen Projekten und haben dort ihre Spuren hinterlassen. Ein Foto zeigt etwa drei Kinder in der Tür eines Kindergartens. Eins trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Kinder haben Rechte“ in bunten Farben.

Überhaupt ist erstaunlich viel Deutsches in dieser ehemaligen französischen Kolonie zu sehen: schwarz-rot-goldene Flaggen in Wandmalereien. Oder besonders kurios: ein riesiges Borussia-Dortmund-Emblem auf der Seite eines Fischerbootes inmitten anderer, traditionellerer Verzierungen. Ein Ausdruck von Sehnsucht nach dem reichen Europa könnte das sein, vermutet Schmacke, die nun gerade nicht in Richtung Frankreich blickt, dessen Kolonialgeschichte überall in den Bildern aufblitzt: von den repräsentativen Bauten der ehemaligen Kolonialherren über Sklavengefängnisse bis zu Werbetafeln für aus Frankreich importierte Kosmetikprodukte.

Und weg nach Europa wollen viele junge Senegales*innen, auch wenn hier Frieden herrscht und es dem Land zumindest für afrikanische Verhältnisse noch gut geht. Es ist schon interessant zu sehen, wie die Popkultur, die andernorts Sehnsüchte weckt, im Senegal fürs Dableiben wirbt: Rap-Musik zum Beispiel erzählt von der Heimat. Auch die Jazzmusiker*innen auf dem jährlichen Festival in St. Louis, das Schmacke besucht und dokumentiert hat, sprechen auf der Bühne darüber. Schmackes Bilder vom Festival zeigen Klubszenen, die genauso gut auch in New York fotografiert worden sein könnten, oder in Paris.

Schmacke sagt, er wolle mit seinen Bildern neugierig auf das afrikanische Land machen – nicht erklären, nicht „mit einer platten Botschaft durch die Tür ins Haus fallen“. Eigentlich ist Schmacke Wissenschaftler, Professor am Institut für Public Health und Pflegeforschung an der Uni Bremen. Jemand, der mit Texten arbeitet, wie er betont, und der hier mit der Kamera mal etwas ganz anderes machen wollte.

Seine Bilder, die nun in der Galerie Birgit Waller im Bremer Norden hängen, bestätigen ihn darin. Starke Motive und durchdachte Bildkompositionen, die tatsächlich etwas erzählen, ohne groß zu analysieren: von Autos, die hier Straßen verstopfen (hervorragend ausgebaute, übrigens), während Pferdewagen genauso selbstverständlich zum Straßenbild gehören. Oder von den Frauen, die im islamisch geprägten Senegal mal mit, mal ohne Kopftuch auf den Straßen unterwegs sind und Lasten auf ihren Köpfen tragen. Schmacke berichtet von Versuchen Saudi-Arabiens, über Koranschulen für die Armen Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung zu nehmen – bislang mit überschaubarem Erfolg.

Am aufregendsten sind die Bilder da, wo sie scheinbar Ethnokitsch doppeln, dann aber doch etwas ganz anderes erzählen. Ein Marktbild von einem gebatikten Stoff etwa, könnte man für traditionelle senegalesische Kunst halten – tatsächlich haben holländische Seefahrer diese Muster aus Indonesien mitgebracht. Ein Vorbote der Globalisierung, die sich in der Textilindustrie fortsetzt in französischen Gobelins, die im auch im Senegal hinter verschlossenen Türen gewebt werden: Betriebsgeheimnis.

Und draußen auf der Straße demonstrieren Frauen in bunten Gewändern mit traditionellen Tänzen für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Am 1. Mai, der auch im Senegal als Tag der Arbeit begangen wird – noch so eine schöne Tradition.

Ausstellung bis 29. 4., Galerie Birgit Waller. Vortrag von Norbert Schmacke: 7. 3., 19 Uhr. Anmeldung unter info@villa-lesmona.de

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