Nicht ganz dicht, hinten

Alles wird besser, aber nichts wird gut: Die DFB-Elf sieht sich nach dem 4:2 gegen Südafrika rehabilitiert von der Schmach in der Slowakei, zumal Lukas Podolski ein famoses Spiel abliefert

AUS BREMEN MARKUS VÖLKER

Der Fußballreporter hat es nicht leicht. In der so genannten Mixed Zone muss er ins Gedränge gehen wie ein Rugbyspieler. Bei Pressekonferenzen wird das gestanzte Wort geredet. Manchmal sitzt der Reporter so beengt auf Tribünen, dass er mit dem Nachbar bei schwül-warmem Wetter zusammenklebt. Es kann aber auch passieren, dass so viele neue Gesichter in einer Mannschaft auftauchen, dass er den Überblick verliert. So geschehen beim Freundschaftsspiel der DFB-Elf in Bremen gegen Südafrikas Bafana Bafana.

Ein 4:2-Sieg der Gastgeber über Südafrika wollte medial verarbeitet werden. Die ARD hatte für diesen Zweck den Sportreporter Wolfgang Nadvornik auf das Feld beordert. Man sah den Mann vom Bayrischen Rundfunk in die Wortverwertungszone laufen, in seiner Bugwelle ein Kamerateam mit sich schleppend. Nadvornik, geübt in freundlicher Penetranz, näherte sich dem Objekt seiner Wahl, Per Mertesacker. Der Reporter fragte. Der Fußballprofi winkte ab. Das Gespräch war schnell beendet. Ein ungewöhnlicher Verlauf. Man fragte sich, was Nadvornik wohl gefragt haben könnte? Hatte er den Abwehrchef der deutschen Nationalmannschaft mit einer frechen Frage provoziert? Wie konnte es sein, dass Mertesacker, eigentlich ein freundlicher Zeitgenosse, komisch reagiert? Aufklärung gab es in den Katakomben des Bremer Weserstadions, wo der Inhalt des Interviews die Runde machte. Nadvornik hatte Mertesacker mit Marcell Jansen verwechselt, den einen mit dem anderen Volontär in der deutschen Abwehr; beide sind groß, blond und Schüler in Jürgen Klinsmanns Leistungskurs Defensive, wobei Mertesacker schon das erste Reifezeugnis erhalten hat, Prädikat: gut.

Nadvorniks Faux-pas hat das Format von Carmen Thomas’ Schalke-05-Versprecher. Man könnte freilich auch sagen: Der Reporter ist Klinsmann auf den Leim gegangen. Klinsmann hat seit seiner Amtsübernahme im August des vergangenen Jahres elf neue Spieler ins Team berufen, in der Verteidigung fanden sich am Mittwochabend Look-a-likes mit wenig bis gar keiner internationalen Erfahrung. Das führt zwangsläufig dazu, dass die Abwehr unter Generalverdacht steht, ganz egal, wer das Freischwimmen der defensiven vier mal wieder leitet. Binnen kurzer Zeit haben die Verteidiger fünf Elfmeter verschuldet, allein dies taugt als Indiz ihrer Unreife. Die Verantwortlichen: Robert Huth und Per Mertesacker. Im Spiel gegen Südafrika war es Mertesacker, der einen Strafstoß verschuldete. Der Penalty führte nicht nur zum Ausgleich, die Mannschaft kam dadurch auch völlig aus dem Rhythmus. Hatte die Elf in den ersten zwanzig Minuten scharfes Pressing gespielt, so erlahmte der Wille zur strategischen Attacke zusehends – was wohl auch an schwindenden Kräften lag. Noch hat es die Elf nicht gelernt, richtig zu dosieren, nicht nur zwanzig Minuten Tempofußball zu spielen, sondern nahezu neunzig. Dass auch das zweite Tor einem krassen Abwehrfehler entsprang, muss nicht hervorgehoben werden. Patrick Owomoyela war der Übeltäter. Sein Abwehrversuch geriet zum Zuspiel auf einen südafrikanischen Stürmer.

Seitdem Klinsmann Trainer ist, stehen Eishockeyresultate zu Buche. Unter ihm kassiert die Elf des Deutschen Fußball-Bundes deutlich mehr Gegentore, im Schnitt 1,47 pro Spiel. Sie erzielt aber auch mehr Treffer als in der Ära Völler, 2,53 pro Partie. Anteil daran hat Lukas Podolski. Er traf am Mittwoch gleich dreimal. Ein Sieg, ein prächtig aufspielender Poldi – Klinsmann reichte es, um zu loben, zu preisen, zu lobpreisen. „Da wächst eine Mannschaft heran, die wird noch besser“, sagte er. Er fand es „toll, wie das Team mit sich nach dem 1:1 umgegangen ist“. Und weiter: Es mache Spaß, dieser Mannschaft zuzuschauen. „Es sind bei fast allen wesentliche Fortschritte zu erkennen.“ Die Elf habe nach massiver Schelte die richtige Antwort gegeben. Kritik sei willkommen, diene sie doch der Motivation der Mannschaft. Jürgen Klinsmann: „Wenn ein Spiel daneben geht, dann muss man auch mal hinnehmen, dass man auf die Mütze bekommt. Auch das hilft der Mannschaft beim Weiterkommen.“ Nichts Neues also in Klinsis Kosmos. Die Diskrepanz zwischen Wort und Tat (Spiel) wird kultiviert, dem Prinzip Hoffnung gehuldigt. Und wer nicht an das Gute glauben mag, dem gibt Teammanager Oliver Bierhoff eine charmante Empfehlung zur Selbstzensur.

Deutschland: Lehmann - Owomoyela , Mertesacker, Sinkiewicz, Jansen - Borowski, Ballack, Deisler (46. Schneider), Schweinsteiger (67. Ernst) - Klose (76. Kuranyi), Podolski (76. Asamoah)Südafrika: Vonk - Katza, Mokoena, Lekgwathi, Rammile (66. Mabizela)- Zuma (85. Shabangu), Vilakazi (78. Nkosi), Buckley (78. Ndlela), Evans, van Heerden (89. Zwane) - Bartlett (46. McCarthy)Tore: 1:0, 3:1, 4:2 Podolski (12., 48., 55.), 1:1 Bartlett (28.), 2:1 Borowski (47.), 3:2 McCarthy (49.)Zuschauer: 28.100