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Eltern werden mit umstrittenen DNA-Tests gelockt

Eine „bessere Vorsorge“ für den Nachwuchs verspricht ein Frankfurter Biotech-Unternehmen. Bezahlen müssen die Eltern den Gen-Check selbst

Im Internet suchen viele Menschen auch Rat zu medizinischen Fragen. Wer im Netz herausfinden will, was junge Eltern für die Gesundheit ihres Nachwuchses tun können, landet wahrscheinlich irgendwann auf der Webseite www.hx-baby.de. Verheißen wird hier „Die bessere Vorsorge für mein Kind“.

Verantwortlich für diese Internetseite ist die Humatrix AG. Das Frankfurter Biotech-Unternehmen preist seine DNA-Diagnostik zur „Bestimmung individueller Gesundheitsrisiken“ an. Die Firma will ermitteln, ob beim Baby „Unverträglichkeiten“ etwa von Milchzucker, Getreidemehl, Antibiotika oder anderen Medikamenten vorliegen. Zum Angebot zählen auch molekulare Tests, die Veranlagungen für Parodontitis, Knochenbauschwäche oder Eisenspeicherkrankheit feststellen können sollen. Seien individuelle Risiken per DNA-Check erst einmal ermittelt, ist laut Humatrix „bessere Vorsorge“ möglich, zum Beispiel: angepasste Ernährung, körperliche Aktivität, Zahnhygieneplan.

Eltern, die sich von solcher Werbung überzeugen lassen, müssen ein wenig mitarbeiten. Aus der Mundschleimhaut ihres Kindes entnehmen sie selbst jene vier Abstriche, die getestet werden sollen; anschließend schicken sie die Speichelproben, deponiert in Plastikröhrchen, an Humatrix.

Für die DNA-Diagnostik müssen AuftraggeberInnen mindestens 295 Euro an die Firma zahlen. Von den gesetzlichen Krankenkassen gibt es kein Geld zurück. Denn derartige Tests, deren Sinn wissenschaftlich durchaus umstritten ist, gehören nicht zu ihrem Leistungskatalog.

Manch einer wird die „DNA-Diagnostik Baby“ vielleicht schon deshalb seriös finden, weil Humatrix mit zwei ziemlich bekannten Gesichtern aufwartet: Als „Senior Advisor“ (Chefberater) des Unternehmens fungiert der frühere Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU), und Vorsitzender des Aufsichtsrats ist Professor Hans Günter Gassen, der gelegentlich als Biotech-Berater der CDU/CSU-Bundestagsfraktion von sich reden macht.

Humatrix umwirbt nicht nur Eltern. Auch KinderärztInnen, GynäkologInnen und Hebammen werden angesprochen und zu firmeneigenen Fortbildungen eingeladen. Neuerdings ist auch das Regierungspräsidium in Darmstadt auf die Firma aufmerksam geworden, genauer: das dort ansässige Dezernat für Datenschutz.

Konkreter Anlass ist die „Analysevereinbarung“, die das Frankfurter Biotech-Unternehmen mit potenziellen KundInnen seiner „DNA-Diagnostik Baby“ schließen will. Wer sie bestellen möchte, soll nämlich nicht nur stellvertretend für die kleine Testperson entscheiden. Der Auftraggeber soll per Unterschrift außerdem versichern, dass alle Erziehungsberechtigten mit der Analyse einverstanden seien.

Eine Unterschrift des zweiten Elternteils wird im Vertragsformular nicht verlangt. Fragwürdig findet dies die Datenschützerin Flora von Zezschwitz vom Darmstädter Regierungspräsidium. Sie will die von Humatrix entworfene Einwilligungserklärung nun sorgfältig prüfen.KLAUS-PETER GÖRLITZER

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