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In der Zwischenwelt

„Zentralflughafen THF“ erzählt die Geschichte des syrischen Flüchtlings Ibrahim Al Hussain und seiner Freunde

Von Ulrich Gutmair

Als er nach Berlin kam, leuchtete die Stadt in voller Weihnachtsmontur, Spiegel der eigenen Freude nach gelungener Flucht. So spricht die Erzählerstimme am Anfang von „Zentralflughafen THF“ von Karim Aïnouz. Der brasilianische Filmemacher begleitete den Syrer Ibrahim Al Hussain und dessen Freunde ein Jahr lang durch ihren Alltag im Flughafen Tempelhof. Dessen Hangars werden seit Oktober 2015 als Notunterkünfte für Flüchtlinge genutzt.

Doch die erste Einstellung zeigt einen Flughafen im Dornröschenschlaf. Sie erinnert an die Zeit vor der Flüchtlingskatastrophe in Syrien. Durch die Leere der Schalterhalle wandelt eine Gruppe, deren Führerin die wichtigsten Fakten des Orts vermittelt. 1923 begann der Linienflugverkehr, 1934 wurde der Neubau in Angriff genommen. Adolf Hitler, sagt die Führerin, habe ihn als „Teil der erforderlichen Aufrüstung“ beschrieben. Ihre Stimme hallt durch den Raum, dieser Raumklang bringt die Stimmen der Menschen subtil mit der Architektur in eine unauflösbare Verbindung.

Die stärkste Einstellung zeigt einen der Hangars von schräg oben. Unten ein Raster von weißen Wänden, die einzelne Zimmer bilden. Aus der Ferne erkennt man einzelne Menschen in ihnen. Dann gehen peu à peu die Lichter aus, von hinten nach vorn, klack. Irgendwo legt jeden Abend jemand den Schalter um.

Simpler kann das Moment der Fremdbestimmung in der temporären Unterkunft nicht dargestellt werden. Temporär heißt: Eigentlich sollen sich die Menschen hier nur sechs Wochen aufhalten. Ibrahim Al Hussain wird über ein Jahr hier sein, bevor er den Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommt. Dreieinhalb Jahre darf er nun im Land bleiben; er ist an diesem Ort gelandet, der wie eine kleine Stadt funktioniert und für manche so gewohnt geworden ist, dass sie ihn nicht mehr verlassen wollen. Nicht aber für ihn, der die Abgeschiedenheit seines Bauern­hofs geliebt hat.

In einer anderen Einstellung fragt eine andere Familie, wann es für die Wohnkuben endlich Türen geben werde. Es sei keine Intimität möglich, man gehe sich auf die Nerven. Es werde keine Türen geben, antwortet die arabisch sprechende Betreuerin. „Brandschutz“ heiße das Wort auf Deutsch. Vorhänge trennen die Wohnräume auch vom Außen der Flure.

Karim Aïnouz zeigt Al Hussain und seine Freunde beim Essen in der Kantine, beim Schi­scharauchen draußen, beim Plaudern und beim Deutschunterricht. Die Kamera zeigt auch die Arbeit des Arztes, der nicht als Arzt, sondern nur als Assistent arbeiten darf, weil er selbst ein Flüchtling ist. Kinder werden geimpft, ein alter Mann muss eine Wunde am Fuß behandeln lassen. Wenn sie geheilt sei, sei auch seine Seele geheilt, sagt er. Hier fühle er sich wie auf einem anderen Planeten, wie im Himmel, fügt er hinzu, so gut werde für ihn gesorgt.

Die Jungen sind ungeduldiger. Sie leiden darunter, in einer Zwischenwelt verharren zu müssen, während die anderen unbeschwert ihr Leben genießen. Fahrradfahren, Joggen, Picknick. Immer wieder springt der Blick von drinnen nach draußen und wieder zurück. Auf dem Feld wird Schischa geraucht. Ein Mädchen mit Kopftuch pustet eine blaue Wolke in den Sommertag.

„Zentralflughafen THF“ ist ein bedächtiger, zurückhaltender Film; er ist mehr als ein Film über Flüchtlinge im Hangar. Es ist ein Film über Deutschland.

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