heute in bremen: „Erzeugt das Gefühl, etwas zu verändern“
Birgitt Pfeiffer, 48, ist Geschäftsführerin der Freiwilligen-Agentur Bremen.
Interview Teresa Wolny
taz: Frau Pfeiffer, üben Sie ein Ehrenamt aus?
Birgitt Pfeiffer: Ich war in meinem Leben immer ehrenamtlich aktiv und habe etwa eine Kindergruppe geleitet, mich im Studium politisch engagiert, um ein behindertes Mädchen gekümmert und war im Sportverein. Im Moment bin ich ehrenamtlich in der Jury für einen Preis. Durch mein freiwilliges Engagement im Jugendalter habe ich unglaublich viel für meinen Beruf gelernt.
Wie viele Freiwillige gibt es in Bremen bereits?
Insgesamt engagieren sich 43 Prozent aller BremerInnen, hochgerechnet sind das ungefähr 240.000 Menschen. Darin enthalten sind aber auch Leute, die nur zwei Mal im Jahr etwas machen. Regelmäßig tätig sind rund 180.000.
Gibt es Bereiche, in denen besonders viele Freiwillige tätig sind?
Die Statistiken zeigen, dass es vor allem in den Bereichen Sport, Kinder, Soziales und Kirche ein starkes Engagement gibt. Auch im Kulturbereich gibt es teilweise mehr Freiwillige als Angebote.
Und andersherum?
Das ist schwierig zu sagen, freiwilliges Engagement ist oft Konjunkturen unterworfen. 2015 etwa, als besonders viele Flüchtlinge kamen, ist eine große Zahl von Menschen spontan in die Nothilfe gegangen. Im Moment werden in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe aber wieder Leute gebraucht. Das ist auch beim Engagement für ältere Menschen der Fall.
Übernehmen Freiwillige immer mehr Aufgaben, die eigentlich der Staat übernehmen sollte?
Das kann ich nicht bestätigen, auch wenn es im Einzelfall so sein mag. Es entwickelt sich oft sogar in die andere Richtung. Es entstehen Vereine, die von Freiwilligen getragen werden, irgendwann staatlich gefördert werden und dann bezahltes Personal einsetzen. Viele wollen aber lieber unabhängig bleiben und sich ihre Autonomie erhalten. Unabhängigkeit ist ohnehin ein zentraler Wert freiwilligen Engagements.
Freiwilligenbörse "Aktivoli" mit 69 Vereinen und Organisationen, Sonntag, 11 bis 17 Uhr, Rathaus
Gibt es mehr Freiwillige als früher?
Ja, in den letzten 20 Jahren hat das Engagement deutlich zugenommen.
Wie erklärt sich das?
Vor 20 Jahren musste man sich noch eher dafür rechtfertigen, wenn man sich engagierte, heute sind diese Aktivitäten en vogue. In den Köpfen der Leute hat sich das Verhältnis von Staat und Gesellschaft verschoben. Es ist ein neues Selbstbewusstsein entstanden, selbst etwas zu bewegen. In einer immer unübersichtlicher werdenden Welt erzeugt persönliches Engagement das Gefühl, zumindest im Kleinen etwas zu verändern.
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