NACHBARN
: Krieg in den Häusern

Manch ein Krieg hätte so verhindert werden können

Meine Nachbarin ist eine von vier Schiedspersonen in Friedrichshain-Kreuzberg, die vor- oder außergerichtliche Streitschlichtungen durchführen. Ich finde das ein tolles Ehrenamt, weil es Einblicke in anderer Leute Leben bietet und man mit Reden die Welt etwas friedlicher machen kann, sofern beide Streitparteien das auch wollen. Neulich studierte ein Mütterchen die Klingelschilder an unserem Haus. „Wohnt hier Frau P.?“ Ich bejahte und fragte, ob es um eine Streitschlichtung ginge. Bingo. Ich sagte ihr, dass Frau P. im Urlaub sei, und erfuhr, dass sie vor einem Jahr bei ihr war, das Schlichtungsgespräch aber geplatzt sei, weil ihre Nachbarin nicht erschienen war.

Es ging um dünne Wände und Geräusche von Toilettenspülungen und Waschmaschinen. „Wir spülen für die mit!“, empörte sich die Frau, die 70 Jahre alt war. „Die wäscht nur vormittags ab!“ Ich hörte mich seltsame Sätze sagen: „Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Das kann Ihnen doch egal sein.“ Sie dachte kurz nach und nickte. „Aber die hat ständig Besuch und sagt nicht Bescheid!“ Ich tippte mit dem Zeigefinger gegen meine Stirn. „Was glauben Sie, was ich meiner Nachbarin, Frau P., sagen würde, wenn die meint, ich müsste sie über meine Besuche informieren?“ Ich blickte in die blassblauen Augen der Frau, die an meinen Lippen hingen. „Seien Sie froh, dass Sie noch so gut hören! Das Leben ist zu kurz, um sich wegen Pillepalle aufzuregen.“

Ich empfahl ihr, mit der Nachbarin zu reden. „Mit der kann man nicht reden!“ Als ich erfuhr, dass sie noch nie mit ihr gesprochen hat, riet ich ihr, einen guten Kaffee zu brühen und sie auf eine Tasse einzuladen. „Meinen Sie?“ Ich nickte heftig und sagte zum Abschied tatsächlich, dass manch ein Krieg mit einem Gespräch hätte verhindert werden können. Sie bedankte sich und kehrte zurück in ihre Wohnung mit den dünnen Wänden.

BARBARA BOLLWAHN