Andreas Rüttenauer
Kulturbeutel
: Fleischer, Fußballfreunde
und Flottillen – von der Zukunft des Sports

Das Herz des deutschen Fußballs schlägt in Düsseldorf. Dort hat an den letzten beiden Januartagen das Spobis stattgefunden, das Sportbusiness-Festival des Branchendienstes Sponsors. Um nicht weniger als um die „Zukunft des Sports“ ging es da. Klar, Uli Hoeneß war da. Der Präsident des FC Bayern ist zwar alt, 66, aber noch gut (Tabellenführer). Der war schon am Vorabend seines Auftritts in Hochform und zeigte Verständnis für die Annexion der Krim durch Russland. Er fragte, wie man wohl reagieren würde, wenn die Nato der eigenen „Mittelmeerflotte“ (!) zu nahe kommen würde. Das mit dem Krieg sei aber nicht so gut gewesen von Putin. Hoeneß ist halt doch ein friedfertiger Steuerhinterzieher.

Am nächsten Tag saß er mit Clemens Tönnies, dem Aufsichtsratschef von Schalke 04, auf dem Podium des Spobis und redete davon, dass die Engländer halt nichts anderes als Fußball hätten. So etwas Schönes wie den Tegernsee zum Beispiel gebe es nicht in England. Und man fragte sich, wie Hoeneß wohl reagieren würde, wenn die Nato, Putin oder sonst wer (Red Bull?) den Dampfern der Bayerischen Seenschifffahrt auf dem Tegernsee zu nahe kommen würden. Vielleicht annektiert er dann ja kurzerhand Jupp Heynckes und zwingt ihn, Bayerntrainer zu bleiben. Dafür ließen sich gewiss gute Gründe finden, zum Beispiel der, dass Heynckes historisch gesehen eh irgendwie zum FC Bayern gehört, womit wir wieder bei der russischen Mittelmeerflotte wären (Krim).

Warum man Clemens Tönnies (einst Tönnies Fleischwerk, jetzt Tönnies Lebensmittel) mit ihm (HoWe Wurstwaren) auf das Podium gesetzt hatte, wollte sich nicht so recht erschließen. Zu gern hätte man gewusst, inwiefern der tägliche Umgang mit Fleisch­erzeugnissen zur Qualifikation in der Fußballbranche beiträgt. Vielleicht fehlte einfach der gelernte Metzger und Neutrainer des Hamburger SV, Bernd Hollerbach, um die Diskussion in diese Richtung zu lenken.

Dessen auch nicht mehr ganz junger Chef beim HSV, Heribert Bruchhagen, 68, hatte dann noch eine doch recht originelle Erklärung für den Rückstand der Bundesliga auf die englische Premier League. Der sei auch in der „fehlenden Kolonialzeit in Deutschland“ begründet, womit wir wieder beim Thema Annexion wären (Krim, Hoeneß).

Erobern will der Deutsche Fußball-Bund auch. Es geht um Stimmen für Deutschland bei der Abstimmung über den Ausrichter der Fußball-EM 2024. Für den Zuschlag tut der DFB alles und bietet mit Philipp Lahm einen weltmeisterlichen Botschafter auf. Der und DFB-Boss Reinhard Grindel hatten auch einen Auftritt beim Spobis. Dabei lobte der junge Grindel, 56, den blutjungen Lahm, 34, über den grünen Klee. Er sei als EM-Botschafter auch deshalb so wichtig, weil er „modern über Social Media“ kommuniziere. Das hat Lahm erst jüngst wieder bewiesen, als er diesen Tweet (503 Likes) abgesetzt hat: „Die meiste Luft hat der Ball – für diese Aussage nach einem Länderspiel wurde mir der Karl-Valentin-Orden überreicht. Ich freue mich sehr über diesen Preis, der verdeutlicht, wie wichtig Humor in jeder Lebenslage ist.“

Dass sich der DFB überhaupt in einem ernsten Wettbewerb um die EM-Ausrichtung befindet, wollten die beiden übrigens nicht merkwürdig finden. Einziger Gegenkandidat ist die Türkei. Es gibt nicht nur Gründe menschenrechtlicher Natur, die gegen eine türkische Bewerbung sprechen (#FreeDeniz), auch der Fußballverband ist alles andere als EM-würdig. Der hat jetzt den ehemaligen Bundesligaprofi Deniz Naki lebenslang gesperrt. Warum eigentlich? Weil er kurdischstämmig ist? Weil er es überlebt hat, als man auf einer deutschen Autobahn auf ihn geschossen hat? Egal. Mit der Zukunft des Sports, wie er auf dem Spobis verhandelt wird, hat das nun wirklich nichts zu tun.