Mit schönen Grüßen von Dr. Kuckuck

Das Hamburger B-Movie beweist mit einer kleinen Filmreihe im Februar, wie aus Wahn und Seelenqual ganz einfach Kunst werden kann

Von Wilfried Hippen

Der Wahnsinn ist im Kino ein beliebtes Thema. Wohl auch, weil der Film selber immer ein wenig verrückt von der Realität ist. In Milos Formans „Einer flog übers Kuckucksnest“ war die Psychiatrie irrsinniger als die Patienten und Robert Wienes expressionistischer Stummfilm „Das Kabinett des Dr. Caligari“ von 1920 spielte in einem aus den Fugen geratenen Mikrokosmos. Diese Klassiker werden in der Filmreihe „Abgedreht – Filme zu Wahnsinn, Psychiatrie und anderen Zuständen“ im Hamburger B-Movie zwar nicht gezeigt, sind aber für die im Februar laufenden Filme maßgeblich: Der koreanische Spielfilm „I’m a Cyborg, but that’s ok“ (Premiere am Samstag, 10.2., 20 Uhr) von Park Chan-Wook ist ein anarchistischer Spaß, der wie die asiatische Variation von Formans „Cuckoo’s Nest“ wirkt.

Die siebenteilige Filmreihe zeigt alte und neue Spiel- und Dokumentarfilme, in denen „die Grenzen zwischen dem sogenannten „Normalen“ und dem „Krankhaften“ untersucht und ausgelotet werden. In „Andere Welt“ ist Regisseurin Christa Pfafferot etwa für ein paar Wochen mit der Kamera in eine Klinik für forensische Psychiatrie gegangen, und „Wie die anderen“ zeigt den Arbeitsalltag in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie. Eineinhalb Jahre filmte Constantin Wolff dafür im niederösterreichischen Landesklinikum Tulln.

In „Dialogues With Madwomen“ von Allie Light aus dem Jahr 1993 erzählen sieben Frauen von ihren Erfahrungen mit bipolaren Störungen, multipler Persönlichkeitsstörung und Schizophrenie – und die Regisseurin selbst reiht sich mit Schilderungen ihrer Depressionen ein.

Autobiografisch ist auch die Doku „Tarnation“, in der der Regisseur Jonathan Caouette davon erzählt, wie das Schicksal seiner Mutter, die mit der Diagnose „Schizophrenie“ immer wieder in Kliniken eingewiesen und mit Elektroschocks behandelt wurde, sein eigenes Leben beeinflusste.

Rosa von Praunheims „Anita – Tänze des Lebens“ wiederum ist von „Dr. Caligari“ inspiriert. Der Regisseur ließ seine Muse Lotti Huber 1986 die berühmte Ausdruckstänzerin Anita Berber spielen, die sich als eine alte Frau auf dem Berliner Ku’damm auszieht und ins Irrenhaus kommt, wo sie behauptet, eine Titelheldin zu sein. Ihre Erinnerungen oder Wahnvisionen sind als expressive Stummfilmsequenzen im Stil von „Caligari“ inszeniert.

Dass aus dem Wahn auch große Kunst entstehen kann, zeigt die erhellende und beeindruckende Dokumentation „Zwischen Wahnsinn und Kunst – Die Sammlung Prinzhorn“ von Christian Beetz aus dem Jahr 2007. Der Film zeigt die Geschichte der weltweit bedeutendsten Bildersammlung von Psychiatrie-Insassen, die in den 1920er-Jahren vom Heidelberger Arzt und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn angelegt wurde und von der sich Künstler wie Paul Klee, Max Ernst und Alfred Kubin inspirieren ließen.

Filmreihe „Abgedreht – Filme zu Wahnsinn, Psychiatrie und anderen Zuständen“: läuft bis Ende Februar, B-Movie, Brigittenstraße 5, alle Filme gibt es auf der Seite www.b-movie.de