Moos aus Moos

Nach der Fusion des VfL Güldenstern Stade mit dem VfL Stade fragt sich, was aus dessen zentral gelegener, aber betagter Sportanlage werden soll: Wohngebiet oder grüne Lunge?

Sanierungsbedürftig: die Sportanlage des VfL Güldenstern Stade Foto: Detlef Scharpen

Von Christian Otto

Es kommt eindeutig auf den Blickwinkel an. Wer mag, sieht in der Camper Höhe ein idyllisches Grün mitten in Stade. Aber aktuelle Eindrücke von der in die Jahre gekommenen Sportanlage mit einer maroden Zuschauertribüne lassen auch den Eindruck zu, dass hier ein rund 55.000 Quadratmeter großes Areal einen besseren Zweck erfüllen könnte. Was auch immer mit der traditionsreichen und zunehmend vermoosten Güldenstern-Sportanlage geschehen wird: Investoren, Politiker, Anwohner und Bürger führen ihretwegen eine zähe Debatte. In deren Mittelpunkt steht die Frage: Braucht eine Stadt wie Stade eine Sport- und Freizeitfläche in einer solch zentralen Lage noch oder sollte das Gelände besser vermarktet werden, um neuen Wohnraum entstehen lassen?

Im ersten Moment hört sich ein Zoff wie der um die Camper Höhe provinziell an. Tatsächlich wird der Kampf um attraktive Flächen derzeit in ganz Deutschland ausgetragen – in Ballungszentren genauso wie in einer Stadt wie Stade mit rund 50.000 Einwohnern. Bezahlbarer Wohnraum ist auch deshalb knapp geworden, weil Bauland in zentralen Lagen immer teurer wird. Ein attraktiv gelegenes Areal wie die Camper Höhe, die neben einem Wohngebiet auch an ein Hallen- und Freibad sowie an die örtliche Realschule grenzt, ist ein millionenschweres Spekulationsobjekt.

Lange Zeit war es die Heimat des Sportvereins VfL Güldenstern Stade. Nach dessen Fusion mit dem VfL Stade, für den im dezentralen Stadtteil Ottenbeck eine neue, zeitgemäße Heimat entstanden ist, steht die Camper Höhe zur Disposition. „Camper Höhe wird plattgemacht“ titelte das „Stader Tageblatt“ am 30. September 2017. Warum plattmachen? Wofür? Viele Bürger verlangten nach schlüssigen Antworten und bekamen lange Zeit keine. Einige von ihnen haben die Bürger­initiative „Pro Camper Höhe“ gegründet – aus Angst und Wut.

Die Stader Stadtverwaltung um Bürgermeisterin Silvia Nieber (SPD) zeigt sich gelassen: Es sei noch gar nicht entschieden, was mit der Camper Höhe geschehen werde. Eine breite politische Mehrheit im Stadtrat hatte sich für eine hochwertige Wohnbebauung ausgesprochen, musste jedoch auf den öffentlichen Druck besorgter Bürger reagieren. Aktuell wird ein interdisziplinäres dialogisches Werkstattverfahren vorbereitet, das aus einem Planungswettbewerb und einem Kolloquium besteht. Das soll gewährleisten, dass über das Projekt nicht in Hinterstuben, sondern transparent entschieden wird.

Stadtbaurat Lars Kolk beteuert, dass überhaupt noch keine Entscheidung gefallen sei, was aus der Camper Höhe werde. „Aber wir haben Angst, dass am Ende der Planungen eine Jury entscheidet und unsere Sicht ignoriert wird“, sagt Volker Hansen von der Bürgerinitiative „Pro Camper Höhe“.

Wie ehrlich dieses Stück Sta­der Kommunalpolitik aufgeführt wird, lässt sich nur erahnen. Die Kritiker einer Bebauung der Camper Höhe, die die idyllisch gelegene Fläche als grüne Lunge ihrer Stadt einstufen, sprechen von Filz. Dass etwa Carsten Brokelmann einerseits als Präsident des VfL Stade in der Verantwortung für die langjährige Heimat von Güldenstern Stade steht und zugleich als Fraktionsvorsitzender der im Rat vertretenen Wählergemeinschaft (WG) über deren Zukunft mitbestimmen kann, ist eine unglückliche Verquickung.

Warum das neue Gelände des VfL Stade noch erweitert werden soll, wenn es doch in attraktiverer Lage die Camper Höhe gibt, erscheint nur bedingt logisch. In einem gemeinsamen Antrag der wichtigsten Ratsfraktionen ist von einer „stadtentwicklungspolitisch hohen Bedeutung der Sportanlage Camper Höhe“ die Rede. Ob damit gemeint ist, dass die Anlage schützenswert ist oder bebaut werden soll, wird sich zeigen.

Über die Kosten, die der Erhalt der Camper Höhe als Mischung aus Sportgelände, Schulgelände und Freizeitanlage verursachen würde, wird tüchtig gestritten. Die Verwaltung ist mit Hilfe eines Gutachtens zu dem Schluss gekommen, dass eine Sanierung der Güldenstern-Sportanlage rund drei Millionen Euro kosten würde. Die Gegner dieser Rechnung kommen auf eine Summe von knapp über eine Million Euro. Bei einem Verkauf des Geländes an bauwillige Investoren winken der Stadt, die einen Großteil der Camper Höhe über Jahrzehnte als günstiges Sportgelände zur Verfügung gestellt hat, Einnahmen von mindestens fünf Millionen Euro.