Hoffnung für bedrohte Siemens-Werke

Auf der Hauptversammlung des Konzerns hagelte es Kritik an den geplanten Schließungen

Die umstrittenen Abbaupläne in der Siemens-Kraftwerkssparte stoßen nun sogar bei den Aktionären auf Vorbehalte. „Stellenabbau muss das letzte Mittel sein“, sagte Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz am Mittwoch auf der Siemens-Hauptversammlung in München an die Adresse von Siemens-Chef Joe Kae­ser. „Ich möchte Sie gerne in die Verantwortung nehmen: Suchen Sie eine andere Lösung.“ Auch Marcus Poppe vom Vermögensverwalter Deutsche Asset Management mahnte die Siemens-Führung, nicht leichtfertig komplette Standorte zu schließen. „Siemens muss nicht nur Rendite liefern, sondern auch seiner gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen“, sagte Poppe.

Auch Beschäftigte der von der Schließung bedrohten Siemens-Werke äußern sich vor der Versammlungshalle empört über die Pläne. „Wir haben die Gewinne hier erwirtschaftet. Durch uns ist Siemens stark geworden“, sagt Michael Basner aus Berlin. „Da ist es unverschämt, dann zu den Mitarbeitern zu sagen, die sollen gehen. Nur weil sie noch mehr Gewinn machen wollen“, ergänzt Petra Lagler aus Erlangen. Kai Höfchen sagt, er sei mit dem Fahrrad aus Görlitz nach München gekommen, um Konzernchef Joe Kaeser die Sorgen der Belegschaft zu übermitteln: „Wir hoffen auf ihn, ganz einfach.“

Kaeser verteidigte die massiven Abbaupläne gestern als unvermeidlich. Angesichts schrumpfender Umsätze und eines Ergebniseinbruchs im ersten Geschäftsquartal sei der Handlungsbedarf „sogar dringlicher geworden“, sagte der Vorstandschef. Siemens will im Kraftwerksgeschäft Tausende Jobs streichen und hatte auch die Schließung von Werken angekündigt, darunter der Standort im sächsischen Görlitz. Am Rande des Aktionärstreffens brachte Kaeser eine mögliche Lösung für den Standort ins Spiel. Man erwäge ein „Industriekonzept Oberlausitz“, sagte Kaeser. Vorstellbar wäre etwa, dass das Werk eigenständiger werde, dabei aber zunächst bei Siemens verbleibe. In einigen Jahren könnte der Standort dann in einem Industrieverbund aufgehen.

Nötig wäre dann wohl auch eine Umsteuerung bei den Produkten, etwa hin zu Speichertechnologien, sagte Kaeser. Um solche Erwägungen umzusetzen, bedürfe es aber der Mitwirkung der Bundes- und Landesregierung sowie anderer Beteiligter. Erst jüngst hatte Kaeser den Beschäftigten in Görlitz am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos Hoffnung gemacht. Bei einem Abendessen mit US-Präsident Trump in Davos hatte Kaeser diesen zudem für seine Steuerreform beglückwünscht und erklärt, angesichts der erfolgreichen Reform habe Siemens entschieden, eine neue Generation von Gasturbinen in den USA zu entwickeln. (dpa, rtr)