Lars Penning
Filme aus dem Archiv –
frisch gesichtet
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Mit „Taking Sides“ (2001) kehrte István Szabó zu einem vertrauten Thema zurück: der Verstrickung deutscher Kulturschaffender in die Machenschaften des Dritten Reichs. Der größte Teil der Handlung entspinnt sich allerdings nach dem Krieg, als der amerikanische Major Steve Arnold (Harvey Keitel) den Stardirigenten Wilhelm Furtwängler (Stellan Skarsgard) in einem Entnazifizierungsverfahren der Kollaboration überführen soll. In seiner Empörung über die Naziverbrechen bastelt Arnold aus Vermutungen abenteuerliche Theorien zusammen, während Furtwängler auf der Trennung von Kunst und Politik beharrt und nicht versteht, was man eigentlich von ihm will. Die Kontrahenten reden sehr viel aneinander vorbei. Dass der Film dabei gerade keine Partei ergreift, dass er Fragen stellt, aber nicht die Welt zu erklären versucht, ist seine Stärke. „Taking Sides“ eröffnet eine István-Szabó-Reihe im Arsenal; der ungarische Regisseur ist zur Vorstellung anwesend (3. 2., 19.30 Uhr, Arsenal 1)

So kann es gehen: Geprägt von der Erfahrung, dass sich in Deutschland eigentlich nur ein paar Fans zusammenfinden, um japanische Animes zu sehen, hatte der Verleih von Makoto Shinkais „Your Name“ nur einen Event-Kinostart an zwei Tagen geplant. Doch mittlerweile ist die fantasievolle Geschichte um einen Bewusstsein- und Geschlechtertausch zwischen einer Oberschülerin aus einer ländlichen Kleinstadt und einem Tokioter Schüler zum weltweit erfolgreichsten Anime überhaupt avanciert, den auch bei uns viele Leute angucken wollen. Und das zu Recht: Neben einem Alltagsleben, das von den Nöten von Teenagern an der Schwelle zum Erwachsenendasein erzählt, öffnen sich in der komplizierten Freundschafts- und Liebesgeschichte Türen zu hochemotional aufgeladenen Paralleluniversen mit komplex strukturierten Zeitebenen (1.–7. 2., 15 Uhr, Eiszeit, div. Uhrzeiten, Tilsiter Lichtspiele, 3. 2., 21 Uhr, 4. 2., 18.45 Uhr, City Kino Wedding).

An dem Problem, dass filmische Adaptionen von Agatha Christies Kriminalromanen nur wenig Spannung verbreiten, kann sich auch Kenneth Branaghs Verfilmung von „Mord im Orient Express“ nicht vorbeimogeln. Doch eines gelingt dem Film wirklich gut: der Blick auf die Welt des untergegangenen Vorkriegsempires, in der es für die oberen Zehntausend ganz selbstverständlich war, sich zwischen Jerusalem, Istanbul, London und Kairo zu bewegen. Man reiste mit Butler, Sekretär und Gesellschafterin, trank Champagner – und hielt Arbeit für etwas, das nur anderen Menschen zustieß (1. 2.– 7. 2., div. Uhrzeiten, B-Ware! Ladenkino, 7. 2., 16 Uhr, Sputnik).