Die Vaccines sehen völlig unbesonders aus

INDIEROCK Die Vaccines sind die Band der Stunde. Eine Beliebigkeitsband mit schmissigen Titeln für jedermann – Angestellte und ihre Freundinnen, Herren ohne Frisuren und Band-T-Shirt-Träger. Einen Kontrast bildet die Vorgruppe, die wilden Velvet Two Stripes

Krach, Bumm, Gniedel und Courtney Loves Stimme

Eigentlich wollte ich nur „Post Break-up Sex“ hören. Und das spielten sie natürlich auch. Und gleich das andere sehr gute Stück, „All In White“, hinterher. Geht man von diesen beiden Stücken aus, die auf ergreifende Art moderne Beziehungsprobleme romantischer Natur verhandeln, könnte man die Vaccines aus London für eine moderne, gute Band halten.

Am Montagabend spielten die vier jungen Kerle im Postbahnhof, und das sogar in der großen Halle. Man hat hier schon die nicht minder schlechten Vetiver in der kleinen Halle vor einer Handvoll Leuten spielen hören; die Vaccines dagegen – vielleicht liegt es an England, dem Erbe von Britpop, und ihrem Händchen für schmissige Songs, das sie ja auch tatsächlich haben – sorgen im Postbahnhof fast für ein ausverkauftes Haus.

Dabei sind sie eine Debütband, die gerade ihr zweites Album veröffentlicht hat. „What Did You Expect From The Vaccines?“ von 2011 war ein cleveres Sammelsurium englischer Popmusik mit guten Gitarrensounds, die zumindest eine Ahnung von Noise und Surf zu haben scheinen. In manchen Momenten könnte man Vergleiche zu The Wedding Present heranziehen. In anderen, besonders an diesem Montagabend, werden die wesentlicheren Bezüge klar.

„Come of Age“ heißt die neue Platte, wurde von Ethan Johns produziert, der schon die Kings of Leon regelte, und platzierte sich in England tatsächlich an die Spitze der Album-Charts. Es variiert im Grunde die Erfolgsformel des ersten Albums, wirkt in den technischen Tricks aber keineswegs feiner, sondern eher etwas platter. Im Konzert sind das dann auch die Stellen, in der sich Schlagzeuger Pete Robertson erhebt, um das Publikum zum Mitklatschen zu animieren.

Auch so haben die Vaccines, die man wie „The Whack Scenes“ spricht, deren Name aber unverständlicherweise „die Impfstoffe“ bedeutet, die wesentlichen Gesten drauf. Haareschütteln, Aufundabtigern, sich um den Schlagzeuger herum formieren. Gitarrist Freddie Cowan, früher bei den Horrors, ist im Dauergespräch mit seiner eigenen Geilheit oder den Roadies und Bühnentechnikern; dabei sieht er wie eine Mischung aus Novak Djokovic und dem jungen George Michael aus. Als er sich endlich seiner Jeansjacke entledigt, trägt er eine weitere Jeansjacke darunter, nur ohne Ärmel.

Überhaupt: Die Vaccines sehen völlig unbesonders aus. Sie haben irgendwelche Sachen an, tragen irgendwelche Bärte oder Frisuren. Bassist Árni Hjörvar, der Isländer, sieht mit seiner blonden Mähne im besten Fall aus wie Evan Dando vor ca. fünfzehn Jahren, und Frontmann Justin Young wirkt mit Fastvollbart und ausgewachsener Frisur wie irgendein anderer Sänger irgendeiner anderen Indieband. Das Publikum, durchaus in Feierabendlaune, steht dem in nichts nach: Büroangestellte und ihre Freundinnen, Herren ohne Frisuren, Band-T-Shirt-Träger, Agenturleute, die mal zu einem wilden Konzert wollen.

Und die Vaccines sind ihre Band der Stunde. Eine Beliebigkeitsband mit schmissigen Titeln, so wie damals Hard-Fi oder die anderen da, die äh, wie hießen sie noch gleich: richtig, die Kaiser Chiefs.

Interessanter war da schon die Vorband. Velvet Two Stripes, nicht unbedingt guter Name, aber drei Frauen verschiedenen Typs, brutale Beatbox, verzerrter Bass und eine 70ies-Rock-Gedächtnisgitarre, die mit derartig lässiger Hingebung gespielt wird, dass es die reinste Freude ist. Krach, Bumm, Gniedel und Courtney Loves Stimme. Schwer lässige Rock Bitches, wie sie die Velvet Two Stripes darstellen, sind, wenn man so will, auch nicht das jüngste Konzept: aber vielleicht eins, das sich lohnen könnte, es mal wieder anzuschauen. Am Montagabend jedenfalls war dem so. RENÉ HAMANN