Riskanter historischer Vergleich

BRANDENBURG Matthias Platzeck rechtfertigt Rot-Rot – und vergleicht Linkspartei und Waffen-SS. Kritik kommt von Gegnern von Rot-Rot – Unterstützung von Wolfgang Thierse und der Linken Kerstin Kaiser

BERLIN | Der Ministerpräsident von Brandenburg Matthias Platzeck (SPD) hat mit einem Beitrag für den Spiegel eine Debatte um die avisierte rot-rote Regierung in Potsdam und NS-Vergleiche ausgelöst. Platzeck, der 1989 zur DDR-Opposition gehörte, plädiert in dem Text für eine Aussöhnung mit der Nachfolgeorganisation der SED, der Linkspartei.

„Die Macht der Vergangenheit tut der politischen Kultur in unserer Republik nicht gut“, so Platzeck. Für Trubel sorgt sein historischer Vergleich mit dem Umgang mit der Waffen-SS in den 50er-Jahren. SPD-Chef und NS-Opfer Kurt Schumacher hätte in den frühen 50er-Jahren für eine Integration der Angehörigen der Waffen-SS geworben. Die SPD solle heute, so legt der Text nahe, den inneren Frieden fördern, indem sie mit der Linkspartei koaliert. Die Waffen-SS wurde 1946 vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal zur verbrecherischen Organisation erklärt.

„Ich halte diesen Vergleich für unzulässig“, sagte die SPD-Vizefraktionsvorsitzende im Bundestag, die frühere Potsdamer Sozialministerin Dagmar Ziegler. Es gebe keinen Riss in der ostdeutschen Gesellschaft, keine Ausgrenzung der Linkspartei, deren Führung zu den Gewinnern der Einheit zähle und denen der NS-Vergleich nicht gerecht werde. Ziegler warf Platzeck „unprofessionelles“ Agieren vor. Es gebe ein „Hineinstolpern in eine neue Konstellation, ohne dass die SPD ihr Verhältnis zur Linkspartei geklärt hat“. Platzeck hatte sich 1999 und 2004 gegen eine Koalition mit der Linkspartei/PDS gewandt. Ziegler ist eine erklärte Gegnerin von Rot-Rot.

Die Fraktionschefin der Linkspartei in Potsdam Kerstin Kaiser hält Platzecks Plädoyer indes für einen „mutigen Schritt“. Gerade ein paar Tage vor dem 20. Jahrestag des Mauerfalls sei es richtig, so Kaiser zur taz, dass der Ministerpräsident ein Signal zur Versöhnung gebe. Einen Vergleich der Linkspartei mit der Waffen-SS habe sie in dem Text nicht entdeckt. „Da steht doch ausdrücklich drin, dass es nicht um eine Gleichsetzung geht“, so Kaiser. Auch der SPD-Politiker und frühere DDR-Oppositionelle Wolfgang Thierse unterstützt Platzeck. „Es ist nicht demokratisch, Kommunisten, die aus ihrer Geschichte gelernt haben, dauerhaft ein Kainsmal aufzuprägen“, so Thierse zur taz. Die Waffen-SS-Assoziation findet er nicht anstößig. „Wir haben seit 1990 in der DDR-Aufarbeitung oft die NS-Bearbeitung als Vergleichsgröße benutzt“.

Am Mittwoch wird die SPD bei einem Landesparteitag über die Koalition mit der Linkspartei entscheiden. Obwohl es kritische Stimmen in der Brandenburger SPD gab, gilt die Annahme des Koalitionsvertrages als sicher. SR