Krieger von der traurigen Gestalt

Wenn ein Politiker die wichtigste Rede seines Lebens als den größten Schandfleck seiner Karriere bezeichnet, dann ist mit Letzterer irgendetwas ziemlich schief gelaufen. Colin Powell ist diese traurige Gestalt der US-amerikanischen Politik. Unvergessen sind die Bilder von George W. Bushs erstem Außenminister, wie er 2003, ein Gläschen mit weißem Pulver in der Hand, dem Weltsicherheitsrat eine lange Liste von „Beweisen“ für die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak vorlegte.

Auch Powell bekommt dieses Bild nicht aus dem Kopf. „Es ist ein Schandfleck. Ich bin derjenige, der das im Namen der Vereinigten Staaten der Welt vorführte, und das wird immer Teil meiner Geschichte sein. Es war schmerzlich. Es ist auch jetzt schmerzlich“, sagte Powell in einem Interview mit dem TV-Sender ABC, das gestern Abend ausgestrahlt werden sollte.

Nein, George Tenet habe ihn nicht bewusst in die Irre gefühlt. Der damalige CIA-Chef habe bestimmt geglaubt, was er ihm vor jenem denkwürdigem Auftritt erzählte. Aber „es gab Leute im Geheimdienst, die zu der Zeit wussten, dass einige der Quellen nicht verlässlich waren, und sie haben nichts gesagt. Das hat mich vernichtet.“

Es ist nicht das erste Mal, dass der ehemalige Soldat, der Held des 1991er Golfkrieges, über seine Erfahrungen als Außenminister spricht – doch solche Worte hat er noch nie gewählt. Loyalität, das ist das Schlüsselwort des Mannes, der als erster Schwarzer in der Geschichte der USA ins State Department einzog und dem noch vor zehn Jahren, als ihn schon Bill Clinton gefragt hatte, ob er Außenminister werden wolle, eine glänzende politische Karriere bevorzustehen schien.

In der Bush-Regierung spielte Powell stets den Gegenpol zu Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Powell galt den kriegsunwilligen Alliierten als derjenige, der die Diplomatie dem Krieg vorzog. Viele verstanden damals nicht, warum er auf seinem Posten blieb, als er gegen den Kriegswillen Rumsfelds, Cheneys und Bushs nichts auszurichten vermochte. „Ich bin kein Aussteiger, der weggeht, wenn es schwierig wird,“ sagt Powell heute.

So kritisch Powell all das im Rückblick sieht, so sehr steht er zu den Ergebnissen jener Politik. „Ich bin froh, dass Saddam Hussein weg ist“, sagt er und sieht für die USA heute keine Alternative als so lange weiterzumachen, bis die irakische Armee stark genug ist. Müttern wie Cindy Sheehan, die im Irak ihren Sohn verlor und jetzt gegen Bush protestiert, würde er sagen: „Wir bedauern den Verlust, aber ihr geliebter Sohn starb im Dienst der Nation und der Sache.“ Powell kann wohl nicht anders. Er bleibt loyal – ganz der Soldat, der er immer war. BERND PICKERT