hörbuch
: Stimmen der Weisheit, der Wut und des Rassismus

Hillary Jordan: „Mudbound“. Aus dem Englischen von Karin Dufner. HörbuchHamburg. 8 CDs, 584 Minuten Laufzeit, 20 Euro

Der sicherste Weg, jemanden zu unterdrücken, ist, ihm keine Stimme zu geben. Schwarze hatten keine Stimme“, sagt die texanische Schriftstellerin Hillary Jordan. In ihrem 2008 erschienenen Debütroman „Mudbound – Die Tränen von Mississippi“, der die Schicksale einer schwarzen und einer weißen Farmerfamilie im Mississippidelta in den vierziger Jahren miteinander verwebt, schildern jeweils drei Familienmitglieder die Ereignisse. Damit geht Jordan den Weg entschieden weiter, den Harper Lee 1960 mit „Wer die Nachtigall stört“ bereitet hat. Die kritische Auseinandersetzung mit Rassismus und Rassentrennung aus weißer Perspektive war 1960 noch neu, die Einnahme eines schwarzen Blickwinkels war nicht nur für Lee noch undenkbar.

Aus den sich ergänzenden Erzählungen ihrer sechs Protagonisten, die alle einen eigenen Sprachduktus haben, webt Jordan ein atmosphärisch dichtes Bild vom harten Landleben. Die gebildete Laura McAllan muss zusammen mit ihren kleinen Töchtern auf Wunsch ihres Mannes Henry die Annehmlichkeiten der Stadt Memphis mit den Entbehrungen der abgeschiedenen Baumwollfarm Mudbound tauschen. Einziger Lichtblick ist Henrys Bruder Jamie, der jedoch die Erinnerungen an seine Fliegereinsätze über Hitler-Deutschland mithilfe von Alkohol zu vergessen versucht.

Jordan nutzt ihre Stimmen, um die vielen widersprüchlichen Facetten des tief wurzelnden Rassismus offenzulegen. Laura, deren Handeln ihrem von Kindesbeinen an gelebten Rassismus entgegensteht, bemerkt zumindest die Absurdität der Segregation, begehrt aber auch nicht offen dagegen auf. Hap Jackson, Oberhaupt der Pächterfamilie, die für die McAllans arbeitet, hofft, sich bald eigenes Land kaufen zu können, und lebt nach den Regeln der Weißen. Sein Sohn Ronsel hat als Sergeant im ersten schwarzen Bataillon der US-Army gekämpft. Zurück im Delta ist er wieder der „Nigger“, der die Hintertür zu benutzen hat. Dass er das nicht mehr hinnehmen will, ist klar.

Dass alle Stimmen in Jordans Südstaatenepos so glaubwürdig klingen, mag auch daran liegen, dass die Autorin sich stark auf Oral-History-Aufzeichnungen gestützt und auch Untersuchungen über die rassistischen Strukturen bei der US Army konsultiert hat. Der Roman wurde inzwischen in 15 Sprachen übersetzt, und Hollywood-kompatibel verfilmt, ist er seit November auf Netflix zu sehen.

Parallel zur deutschen Übersetzung von Karin Dufner – die für jede Figur eine passende Atmosphäre evoziert – ist die mitreißende ungekürzte Lesung erschienen. Als Laura lotet Eva Meckbach, Ensemblemitglied der Berliner Schaubühne, den schmalen Grat zwischen Wut über die eigene Ohnmacht und die mit Hingabe ausgefüllte Rolle als Ehefrau und Mutter reflektiert aus. Detlef Bierstedts Stimme hat für den glatten Henry ein fast zu raues Timbre, die Stieseligkeit, die Bierstedt ihm mit auf den Weg gibt, passt aber perfekt. Maria Hartmann bringt Florences Weisheit und gleichzeitigen Aberglaube kraftvoll in Einklang. Patrick Güldenberg macht die Verzweiflung Jamies spürbar, indem er zwischen Charme und (Selbst-)Verachtung changiert. Walter Kreye gibt dem gottesfürchtigen Hap etwas Nachdenkliches. Und TV-Schauspieler Steve Windolf, der als Hörbuchsprecher sein Debüt gibt, bringt Ronsels Wut, Abgeklärtheit, Schrei nach Gerechtigkeit und Liebe gleichzeitig zum Klingen. Bleibt nur die Frage, warum die schwarzen Charaktere nicht auch von schwarzen Sprechern eingesprochen wurden. Sylvia Prahl