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Luftnummer Klimaschutz

Weiter Kohle mit Kohle: Die Stadtwerke Osnabrück AG, stolz auf ihr Engagement für die erneuerbaren Energien, setzen weiterhin auch auf Dinosauriertechnologie

Sorgt für Auftrieb, vor allem für den finanziellen der Stadtwerke Osnabrück (das Kohlekraftwerk in Lünen im Hintergrund) Foto: Rene Tillmann/dpa

Von Harff-Peter Schönherr

„Unternehmen Lebensqualität“: Wer sich für die Stadtwerke Osnabrück diesen Slogan ausgedacht hat, zieht dieser Tage besser den Kopf ein. Denn zum Thema Lebensqualität sollte der Kommunalversorger, dessen Geschäftsfeld von Gas, Wasser über Strom bis zum öffentlichen Nahverkehr reicht, im Augenblick besser schweigen.

Grund ist die Kohlekraftwerkspolitik der Stadtwerke, einer hundertprozentigen Tochter der niedersächsischen Stadt. Fraglich ist, ob diese derzeitige Politik mit der Selbstverpflichtung von 2011 zusammenpasst. Worin es heißt, ausschließlich in regenerative Energieeigenerzeugung in Stadt und Region zu investieren. Und kann der „Masterplan 100 Prozent Klimaschutz“ tatsächlich erfüllt werden? Darin verpflichtet sich der Rat der Stadt Osnabrück dem Ziel, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2050 um 95 Prozent zu reduzieren, im Vergleich zu 1990. Zweifelhaft ist auch, ob die Kohlekraftwerkspolitik der Stadtwerke mit den „Strategischen Zielen und Zentralen Handlungsfeldern 2016–2020“ Osnabrücks, die auf „nachhaltiges Umweltbewusstsein“ setzen, zusammenpasst?

Zum Jahreswechsel machte sich zunächst Erleichterung breit: Der 2015 initiierten gesellschaftsrechtlichen Trennung der Stadtwerke von ihrem Anteil am milliardenteuren, pannenbelasteten Kohlekraftwerk Gekko in Hamm-Uentrop folgt die wirtschaftliche, inklusive Kappung des Strombezugs, bis Ende 2018. Doch im selben Atemzug die Ernüchterung: Die Stadtwerke erhöhen ihren Anteil am Trianel-Steinkohlekraftwerk in Lünen von 4,22 auf 5,28 Prozent. Kohleausstieg, mit Verlusten, oder Kohleeinstieg, mit der Hoffnung auf Gewinn?

Das rief die Osnabrücker Klimaallianz (OK) auf den Plan, ein Bündnis regionaler Klimaschutz-Gruppen. Sie schrieb den städtischen Vertretern im Aufsichtsrat der Stadtwerke am 8. Januar einen offenen Brief, „mit Unverständnis und Empörung“.

Städtische Power

Rund 900 Stadtwerke gibt es in Deutschland. Längst sind sie aus dem Schatten der großen Energiezulieferer getreten.

Die Stadtwerke Osnabrück kostet der Ausstieg aus dem Gekko-Kraftwerk in Hamm-Uentrop, an dem sie mit 1,96 Prozent beteiligt waren, rund 20 Millionen Euro, berichtet die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) – nicht zuletzt durch die Auflösung der beim Ausstieg vereinbarten 20-jährigen Strombezugsverpflichtung.

Die Stadtwerke sind noch an einem zweiten konventionellen Kraftwerk beteiligt, am Gas- und Dampfturbinenkraftwerk in Lünen. Der Gesellschaftsanteil beträgt 2,45 Prozent (2,1 Millionen Euro), schreibt die NOZ.

Für die Stadtwerke Osnabrück sind erneuerbare Energien auch ein Thema. Sie investieren in Wind-, Biomasse-, Photovoltaik-, Geothermie- und Kraft-Wärme-Kopplungs-Projekte. Bis 2020 soll der ÖPNV zu 80 Prozent elektrifiziert sein.

Eines ihrer ehrgeizigsten Ziele haben sie allerdings gerade verfehlt: Bis 2018 alle 120.000 Privatkunden mit grünem Strom aus eigenen, alternativen Quellen zu versorgen. Es reichte nur für ein Drittel. 98 Millionen Kilowattstunden stehen zurzeit zur Verfügung, 240 Millionen Kilowattstunden werden gebraucht. Marco Hörmeyer von den Stadtwerken: In der Region gebe es „keine weiteren geeigneten Standorte für neue Windparks“.

Die Lünen-Entscheidung widerspreche „jeder klimapolitischen Vernunft“ und den klima- und stadtpolitischen Zielen Osnabrücks. „Der Beschluss des Stadtwerke-Aufsichtsrates atmet rein gar nichts von Geist und Buchstaben dieser Beschlüsse. Er spricht vielmehr diesen Grundsätzen Hohn.“ Unterzeichnet hat Klaus Kuhnke vom Solarenergieverein Osnabrück.

Kuhnke ist empört: „Wir krebsen uns ab mit Maßnahmen aller Art, und die Stadtwerke tun so, als ob Klimaschutz für sie ein Fremdwort ist. Das ist nicht nur peinlich, das ist ein Tritt ins Gesicht.“ Kuhnke befürchtet, dass die Stadtwerke ihre Trianel-Anteile sogar noch erhöhe.

Auf den Brief folgen rasch Antworten. Auch von Michael Hagedorn, dem Fraktionsvorsitzenden Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt Osnabrück. Die Erhöhung der Anteile an Trianel stehe „im Widerspruch zu den eigenen kommunalen Klimaschutzzielen“, stärkt er der OK den Rücken.

Auch Osnabrücks Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU) antwortet, als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Stadtwerke. Eine Erhöhung in Lünen wäre ohne den Ausstieg in Hamm nicht infrage gekommen, sagt er: „Dies nämlich garantiert bei einer gleichbleibenden CO2-Bilanz des fossilen Kraftwerkparks der Stadtwerke Osnabrück AG wirtschaftliche Optimierungsmöglichkeiten.“ Griesert formuliert es so: Die Stadtwerke, erklärt er, „investieren somit nicht in den Ausbau der konventionellen Energieeigenerzeugung“, man verschaffe sich so Liquidität und Ertragskraft, um „die weitere Errichtung weiterer regenerativer Erzeugungskapazitäten in der Region zu forcieren“. Das Engagement widerspreche „keineswegs“ den klimapolitischen Zielen Osnabrücks.

„Wir krebsen uns ab mit Maßnahmen aller Art, und die Stadtwerke tun so, als ob Klimaschutz für sie ein Fremdwort ist“

Klaus Kuhnke, Solarenergieverein Osnabrück

Antwort des OK, 12. Januar: „Das Wahrheitsministerium in Person des Oberbürgermeisters erklärt: Mehr Kohlestrom schützt das Klima. Wer in ein Kohlekraftwerk investiert, reduziert den CO2-Ausstoß. Vielleicht gilt ja auch: Zwei mal zwei ist fünf. Oder: Die Erde ist eine Scheibe.“

Marco Hörmeyer von den Stadtwerken Osnabrück sagt: „Wir haben das rein kaufmännisch bewertet. Unterm Strich verdienen wir damit Geld.“ Wichtig ist ihm aber: „Ausgebaut haben wir unser Kohleengagement nicht, nur umgeschichtet.“ Aber die Signalwirkung ist: Die Dinosaurier haben Zukunft.

Besonders pikant: Die neuen Trianel-Anteile der Stadtwerke sind die alten der Stadtwerke Jena und der schweizerischen Regio Energie Solothurn. Die steigen nämlich aus statt ein. Vielleicht wegen der Lebensqualität.

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