Katrin Seddig
Fremd und befremdlich
: Egal ob hässlich oder nicht, die Stadt sollte nicht einfach denk-malgeschützte Gebäude verjubeln

Foto: Lou Probsthayn

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr neuer Roman „Das Dorf“ ist kürzlich bei Rowohlt Berlin erschienen.

Der City-Hof ist gar kein Hof, sondern vier Hochhäuser am Klosterwall in Hamburg. Erbaut wurden sie von 1954 bis 1958 nach den Entwürfen des Architekten Rudolf Klophaus. Jeder Hamburger kennt diese Häuser. Sie sind sehr hoch und sehr grau, und viele finden sie hässlich.

Früher residierte das Bezirksamt Mitte in einem der Häuser. Jetzt steht fast alles leer. Es ist staubig, schmutzig, es verfällt. Ich war letzte Woche in Österreich, in Bad Gastein, da verfallen die alten Hotels aus der Zeit der Belle Époque. Die meisten Leute, die den City-Hof hässlich finden, würden diese Hotels immerhin noch schick und erhaltenswert finden.

Menschen sind oft richtig beleidigt, wenn man ihren Geschmack nicht teilt. Aber nirgendwo wird der Geschmack so zum Politikum, wie in der Architektur. Ein Bild, das nicht nach dem eigenen Geschmack ist, muss man sich nicht ansehen. Architektur kann man nicht übersehen. Der City-Hof stößt viele Leute vor den Kopf, die nicht verstehen können, was erhaltenswert sein soll, an Häusern, die nicht ihrem Geschmack entsprechen. Sie sind empört, weil sie sie sehen müssen, weil sie sie ertragen müssen, mit ihren eigenen Augen.

„Der Senat wird sich …voraussichtlich auf ein höheres städtebauliches Interesse berufen, um den Denkmalschutz aufzuheben.“, heißt es im NDR. Es gibt also, auf der einen Seite, den Denkmalschutz, unter dem der City-Hof seit 2013 steht, trotz seiner von vielen so empfundenen Hässlichkeit. Und auf der anderen Seite gibt es andere, „höhere städtebauliche Interessen“, die diesen Schutz anscheinend aufheben. Wofür sollte man überhaupt den City-Hof erhalten? Es gibt immerhin eine Initiative, die sich dafür einsetzt, den City-Hof e.V.

Und es gibt ein Gutachten der Kulturbehörde zum Status als Kulturdenkmal: „Der City-Hof bietet sich als aufgelockerter, durchlässiger moderner Komplex der Wieder- und Neuaufbauzeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges dar, zugleich existieren in der Strenge ausstrahlenden Aufreihung gleichförmiger Elemente und den Lochfassaden Parallelen mit modernistischen Architekturen der zwanziger und dreißiger Jahre, und auch die blockfüllende Geschlossenheit, die Inanspruchnahme des gesamten Gevierts, lehnt sich an die Blockrandbebauungen des Kontorhausviertels an.“ heißt es.

Und weiter, auch wenn das etwas viel Zitat in einer Kolumne ist: „Die Erhaltung des Komplexes City-Hof liegt im öffentlichen Interesse aus geschichtlichen Gründen als unübersehbares und an bedeutender Stelle des Innenstadtrandes und dem Eingang zur Hamburger Innenstadt platziertes Dokument zeitgemäßer Nachkriegsarchitektur.“ Der City-Hof müsse erhalten werden „aus Gründen der Bewahrung charakteristischer Eigenheiten des Stadtbildes aufgrund seiner starken Präsenz an wichtigen Stadteingangsstraßen, aufgrund des Signalcharakters für den Standort der Bürostadt der südöstlichen Innenstadt.“

Ich wiederhole: „Der Senat wird sich … voraus­sichtlich auf ein höheres städtebauliches Interesse berufen, um den Denkmalschutz aufzuheben.“

Wir hatten hier eine öffentliche Liegenschaft, Raum, der also auch mir gehört hat, der verkauft wurde, an einen privaten Investor

Der Investor August Prien Immobilien hat einen Architekturwettbewerb zur Neubebauung ausgeschrieben, es gibt einen Gewinner, man kann sich das überall in den Medien angucken, diesen Backsteinbau, was sonst, in Hamburg? 140 Wohnungen soll er enthalten, 220 Hotelzimmer (Hotelzimmer braucht diese Stadt!).

Aber wird August Prien den City-Hof abreißen dürfen? Und was in der ganzen Diskussion um den Abriss vielleicht keinen so großen Platz gefunden hat: Wir hatten hier eine öffentliche Liegenschaft, Raum, der also auch mir gehört hat, der verkauft wurde, an einen privaten Investor.