OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Auf den ersten Blick wirkt Sheeta, die jugendliche Heldin in Hayao Miyazakis „Das Schloss im Himmel“, ganz anders als die selbstbewussten Mädchen, die das Zeichentrickuniversum des japanischen Anime-Meisters sonst bevölkern. Denn Sheeta ist eher unentschlossen und still; eine genügsame Waise, die keine Ahnung hat, warum ausgerechnet sie von finsteren Regierungsbeamten und einer Piratenfamilie verfolgt wird. Sheetas Freund Pazu hingegen besitzt Abenteuerlust im Übermaß: Er ist immer dabei, wenn irgendwo geschickte Hände und ein scharfer technischer Verstand benötigt werden. Beiden Jugendlichen gemeinsam ist jedoch die Selbstlosigkeit ihres Handelns, in Miyazakis Filmen stets der wichtigste Charakterzug seiner Hauptfiguren: Die Gier der Erwachsenen nach Macht und Geld ist ihnen fremd, weshalb der Regisseur am Ende auch nichts weniger als die Rettung der Welt in Sheetas Hände legt. Doch wie alle Miyazaki-Filme erzählt „Das Schloss im Himmel“ eine Geschichte, in der sich die Figuren entwickeln: Sheeta, tatsächlich die rechtmäßige Erbin des Himmelkönigreichs Laputa, muss angesichts eines größenwahnsinnigen Verwandten Entschlusskraft beweisen, während Pazus naive Abenteuerbegeisterung angesichts der Schrecken, die hoch entwickelte Technologie mit sich bringen kann, langsam schwindet. Für Miyazaki ist dieses wunderbar detaillierte Kunstwerk noch immer sein Lieblingsfilm: ein komplexes Werk, das im Finale mit dem riesigen, am Himmel schwebenden Baum, der die totale Zerstörung Laputas überstanden hat, ein treffendes Bild für den leisen Optimismus liefert, den sich der Autor trotz aller Skepsis gegenüber dem Menschen und seinem Hang zur Destruktion bewahrt hat. (28. 10., Sputnik)
Gipfeltreffen im zerstörten Berlin des Jahres 1947 unter der Regie des Moralisten Billy Wilder: In der Satire „A Foreign Affair“ konfrontiert er eine republikanische Kongressabgeordnete (Jean Arthur) aus der Provinz mit einem von Marlene Dietrich verkörperten Berliner Nachtclubgeschöpf, das sich recht opportunistisch durch die Zeitläufte schlägt. Sympathisch sind die beiden Damen nicht, die sich hier um die Gunst eines flotten Besatzungsoffiziers bemühen: Während sich die Moralvorstellungen der einen schnell als Heuchelei entpuppen, steckt die andere knietief im braunen Sumpf. (OmU, 28. 10., Bundesplatz-Kino)
Warum sind die großen amerikanischen Puppentrickfilme im Stop-Motion-Verfahren eigentlich alle Horrorfilme? „Nightmare Before Christmas“, „Corpse Bride“ und Tim Burtons jüngstes Werk „Frankenweenie“ – allesamt machen sie sich einen Spaß daraus, Kinder (ein bisschen) zu erschrecken. Das versucht auch „ParaNorman“ von Chris Butler und Sam Fell, in dem der kleine Außenseiter Norman sein Heimatstädtchen vor dem Fluch einer Hexe retten muss. Animation, Figuren und Sets begeistern mit liebevoller Gestaltung, der Humor setzt auf parodistische Wiedererkennungseffekte und zitiert von John Carpenter bis zu Zombiefilmen die einschlägigen Vorbilder. (25.–31. 10., Kino Kiste) LARS PENNING
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