WELLNESS BERLIN
: Nüt von da, odr?

Schweinespeck an Schweine verfüttern

Pünktlich zum Novemberbeginn legten wir uns im warmen Hamam auf die Folterbank der Badefrau. Erst rieb sie uns mit ihrem groben Handschuh die peinlichen, braunen Hautbrösel vom Leib. Dann bog sie uns wortlos die Beine auseinander und zwängte ihren Seifenschaumeimer zwischen die bereits knallroten Unterschenkel. Anschließend häufte sie mit Tüllballen, die eher wie Cheerleader-Bedarf aussahen, Schaumkronen auf unsere Venushügel. Malträtiert, aber weich wie Babypopos huschten wir hernach in den Ruheraum.

N. packte stolz die mitgebrachten Anti-Stress-Gesichtsmasken aus Zellstoff aus. Ihre Maske war gelb mit aufgedruckten orange Orangen-Schnitzen. Meine hatte bläulich psychedelische Wellenmuster. Wir sahen ultimativ albern aus, obendrein brannte das Zeug wie Hölle. Der vorbeiziehende Frauentreck zwischen Bade- und Ruheraum kämpfte angesichts unserer entstellenden Wellness-Bemühungen ohne Unterschied erfolglos gegen den Lachkrampf.

Dann kam der Hunger. Auf der anderen Straßenseite lockte das „Helvetia“ mit Zucchini-Wähen und Speck-Rösti. Der Speck auf meinem Rösti türmte sich zu einem nicht bezwingbaren Berg. Beim Zurückgeben des Tellers, auf dem ich neben dem Speck aus ästhetischen Gründen auch zwei Salatblätter übrig gelassen hatte, sagte ich zum weiß bezopften Service-Personal: „Vielleicht können Sie das ja noch den Schweinen geben.“

Er sah mich ob dieses zugegebenermaßen nicht ganz durchdachten Vorschlags – Schweinespeck an Schweine verfüttern, was für eine perverse Idee! – skeptisch an. In breitem Appenzeller Akzent stellte er eine vernichtende Frage: „Du bist wohl nicht von hier, odr?“ Äh, nein, wer ist das schon wirklich, obwohl eigentlich, mittlerweile, bin ich vielleicht doch von hier, ähm, na ja.

KIRSTEN RIESSELMANN