Dominikus Müller schaut sich in den Galerien von Berlin um

Gefühlte zigtausendmal hat sich die Kunst in den letzten Jahre auf das Erbe der Moderne bezogen. Von der Documenta 12 über eine Heerschar von Galerieausstellungen bis zur fünften Berlin Biennale – immer sollte „an die uneingelösten utopischen Versprechen der Moderne“ angeknüpft werden, an ihr emanzipatorisches Potenzial. Ganz anders dagegen in der Galerie Carlier/Gebauer. Zwar bezieht sich auch Sebastian Diaz Morales – wenn man so will – auf die Moderne, aber er setzt den Hebel anders an. Gleichzeitig sehr viel „klassischer“ und doch irgendwie eher auf der Höhe der Zeit. Das Kernstück seiner Ausstellung „Water from the Moon“ ist die zweikanalige Videoprojektion „The Way Between Two Points (Terra Incognita)“, die einen einsamen Mann in Arbeiterkluft auf seinem Streifzug durch eine gottverlassene Wüstengegend in Patagonien begleitet. Er läuft über staubverwehte Straßen, streift durch verfallende, von Graffiti bedeckte Häuser, klettert durch alte Schächte oder sitzt ratlos auf einer alten Couch unter freiem Himmel und leert sich den Sand aus den Schuhen. Einmal beugt er sich hinab zu einem alten Bohrloch und kratzt mit einem Stock durch das glänzend glatte schwarze Öl. Eine vernarbte Landschaft ist das, durchzogen von den Ruinen rücksichtsloser industrieller Ausbeutung. Vor hundert Jahren gab es in dieser Gegend nichts außer Natur, dann kam der Mensch. Doch der ist auch schon wieder weg, weitergezogen. Und hinterlassen hat er eine Kraterlandschaft, unwirklich, zerfurcht, zerstört, jenseits der Zeit. Postzivilisatorische Natur, so könnte man es auch nennen. Hier geht es nicht um Utopien, sondern um Dystopien. Hier geht es nicht darum, was in der Vergangenheit alles nicht verwirklicht wurde, sondern gerade darum, was beinharte Realität wurde. Und es geht darum, wie unsere Zukunft aussieht. Nämlich gottverdammt düster.

■ Sebastian Diaz Morales: „Water from the moon“, bis 21. November, Di.–Sa., 11–18 Uhr, Carlier/Gebauer, Markgrafenstr. 67