berliner szenen: Mit diversen Tieren im Magen
Die Rückfahrt nach Weihnachten mit dem Bus von Leipzig nach Berlin lief entspannt. Der Doppeldeckerbus war nicht einmal halb voll, die meisten Reisenden schliefen oder verdauten all das viele Essen und Trinken, das sie an den Festtagen im Überfluss zu sich genommen hatten.
Auch ich saß mit viel Stollen und Keksen und diversen Tieren im Magen, Karpfen und Gans, voll gefressen in meinem Sitz. Bevor es auf die Autobahn ging, gab der Fahrer über Mikrofon mit sächsischem Singsang Informationen durch, von denen er die für ihn wichtigsten in leicht verständliches Englisch übersetzte: „Drive in the city – no toilet!“
Und er lieferte sogleich eine Begründung dazu: „Das ist Ihrer Sicherheit geschuldet und hat auch mit Sauberkeit auf der Toilette zu tun.“ Des Weiteren informierte er darüber, dass man an Bord alkoholfreie Getränke und Snacks erwerben kann, wovon aber niemand so kurz nach dem Fest Gebrauch machte.
Fast auf die Minute genau kam der Bus am späten Nachmittag am Alexanderplatz an. „Ihr lieben Leute“, erklang wieder der sächsische Singsang. „Unsere Rundfahrt hat nun ein Ende.“ Einige Reisende klatschten, weil der Fahrer sie heil nach Hause gebracht hatte. Alle holten flink ihre Gepäckstücke und Geschenke aus dem Inneren des Busses und fuhren nach Hause.
Als ich in Friedrichshain die Haustür aufschloss, sah ich, dass vor dem geschlossenen Imbiss Dolce Vita nebenan ein Berg Taschenbücher zum Mitnehmen lag. All die Bücher waren geradezu eine Anklage gegen weihnachtliche Völlerei, auch mit dolce vita hatten sie nichts zu tun.
„Die Brotrevolution in Nordafrika“, „Was ist Globalisierung?“, „Friss und stirb trotzdem“. Müde, nachdenklich und mit vollem Magen und schwerem Rucksack stieg ich die 72 Treppenstufen zu meiner Wohnung hoch.
Barbara Bollwahn
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